Ulrike Draesners neuer Roman aus dem Umfeld des Olympia-Attentats 1972

Von Stefanie Bürgers

Katja, Journalistin, Anfang 40, steht  in der Münchner U-Bahn. Sie will Max anrufen, doch das fällt ihr schwer. Das Gespräch mit Max beginnt abgehackt, holprig. Man ahnt, dass Katja in Max’ Schuld steht wegen eines massiven Vertrauensbruchs in Teenagertagen. In Rückblenden – oftmals wie Gedankensprünge eingeführt – ergeben Katjas Erinnerungen für den Leser, die Leserin nach und nach ein Bild.
Als Halbwaise ist Katja in den 1960iger Jahren bei ihrem Vater in engem Kontakt zu den Großeltern aufgewachsen und kämpft mit dem frühen Verlust der Mutter. Sie verhält sich launisch, lässt ihren unkontrollierten Gefühlen Lauf, quält die eigene Katze.

Hintergrund für den Blick in Katjas Leben bilden die Olympischen Spiele 1972 in München. Mit hohen friedlichen Ambitionen angetreten sind sie doch untrennbar verbunden mit der Geiselnahme der elf israelischen Sportler und deren Tod durch die missglückte Befreiungsaktion, welche auch für Katja selbst noch bedeutsam wird.

Viele Jahre später wird Katja unerwartet mit der Vergangenheit konfrontiert und erinnert sich:
Zu Schulzeiten war sie in den schon älteren Max verliebt. Seine Aufmerksamkeit galt  jedoch nicht nur ihr. Aus Rache hat sie ihm eine hinterhältige Falle gestellt. In einem intimen Moment mit Max hatte sie sich von ihren Freunden überraschen lassen, ihn als übergriffig hingestellt und damit sein Ansehen ruiniert. Max brach die Schule ab, wird Polizist. 1972 wird er als gerade einmal 18-jähriger Polizeianwärter beim Einsatz in Fürstenfeldbruck gegen die palästinensischen Terroristen verletzt und ist seitdem gehbehindert.

Katja fühlt sich schuldig, ein Gefühl gegen das sie sich wehrt. Bei der Recherche im nur unvollständig zugänglichen Archivmaterial zum „Schwarzen September“ findet sie keinen Hinweis auf die Umstände von Max’ Verletzung. Viele Akten sind unter Verschluss. Ein Archivar hilft ihr, wird schließlich ihr Liebhaber. Doch auch in dieser Beziehung verhält sie sich seltsam. Bei den detailreich geschilderten Sexszenen behält sie ihren BH wie einen Brustpanzer an. Fühlt sie sich immer noch Max verbunden?

Das erste und letzte Kapitel hat die Autorin von „Spiele“, Ulrike Draesner, mit „Spirale“ betitelt. Katja will sich, wie so viele andere bei diesen „Spielen“ auch, von Schuld befreien, will sich rechtfertigen und dreht sich dabei  immer nur im Kreis.

Die vielfach ausgezeichnete Ulrike Draesner überzeugt auch dieses Mal durch ihre Erzähltechnik. Sehr lesenswert!

Ulrike Draesner: Spiele.
Roman, 491 Seiten, Penguin TB Verlag, 2022, 14 Euro