Von Katrin Diehl
Oktober ist gleich Buchmesse, ist Frankfurt mit einem Gastland, das sich zeigen darf, und das in diesem Jahr Spanien heißt. Wir haben „spanische Münchner*innen“ gesucht, Menschen, die in der Spanischen Literatur zuhause sind, weil sie mit ihr arbeiten, weil sie auf diese oder jene Art in ihr Heimat finden und weil sie die Kompetenz besitzen, Empfehlungen auszusprechen.
María José Perdices, Begoña Colmenero, Ainhoa Bacaicoa, Mitarbeiterinnen des „Instituto Cervantes München“, sind ganz und gar für die Nutzer*innen des spanische Kulturinstituts da. Alles andere steht hintenan. Deshalb ließen sie ihre Bibliotheksbesucher*innen entscheiden und wählten als Empfehlung in großer Begeisterung ein Buch, das in der dortigen Bibliothek ein Dauerbrenner ist und das sie ebenfalls selbst sehr schätzen. Es ist: „Papyrus. Die Geschichte der Welt in Büchern“ von der spanischen Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Irene Vallejo:
„Das ist im Grunde ein Sachbuch, aber auch nicht so ganz. Es übergreift die Genres, ist auch mal Märchen, mal bloße Poesie und beschreibt auf sehr liebevolle Weise die Anfänge des Schreibens, der Bücher. Es geht da ebenso ums bloße Material, die Utensilien, die Menschen, die mit Schriften hantierten, wie auch um die ersten Bibliotheken in den Großreichen der Antike…, wobei dieses Buch uns alle, die wir mit Literatur zu tun haben sehr liebevoll umarmt. Vallejos hat schon mehrere Bücher geschrieben, aber als „Papyrus“ 2019 in Spanien erschienen ist, ist es sofort durch die Decke gegangen.“
Cecilia Estrada kommt aus Mexiko-City und deshalb beklagt sie auch ein wenig, dass mit Spanien im Fokus die großartige lateinamerikanische, ebenfalls auf Spanisch verfasste Literatur außen vor bleibe. Außerdem weist sie auf die weiteren Sprachen hin, wie Katalanisch oder Baskisch, auf die in Spanien eben auch geschrieben wird. Cecilia Estrada betreibt in der Georgenstraße die Buchhandlung „Librería Española en Munich“. Sie greift ins Regal und hat eine Empfehlung in der Hand: „Wobei das immer eine sehr persönliche Entscheidung ist. Was mir gefällt, muss ja nicht unbedingt auch anderen gefallen. Für mich ist ‚El mes más cruel‘ – auf Deutsch in etwa ‚Der grausamste Monat‘ –, geschrieben von Pilar Adón, ein interessanter Titel. Er ist einfach nicht Mainstream, und außerdem gibt sich der Verlag, in dem das Buch 2010 in Spanien erschienen ist, mit dem Büchermachen noch wirklich Mühe. ‚El mes más cruel‘ ist ein Sammelband von Erzählungen, die nicht wirklich fröhlich sind, sondern eher von schweren Gefühlen handeln. Wir befinden uns zum Beispiel in einem Haus, in dem sich ein Mädchen auf die Suche nach einer Katze macht, was das Haus in viele dunkle Erinnerungen eintaucht. Die Sprache ist sehr poetisch. Es lohnt sich also, den Text auch einmal laut zu lesen, so dass die Sprache so richtig zum Klingen kommt.
Nora Zapf lebt in München, ist Romanistin, Übersetzerin aus dem Spanischen wie dem Portugiesischen. Sie ist Lyrikerin und empfiehlt daher einen Lyrikband: „‚cuerpoemas, versb:leibend‘ mit Gedichten von Mario Martín Gijón, kongenial ins Deutsche übertragen von José F. A. Oliver, der zweisprachig ist und selbst auch wahnsinnig gute Lyrik schreibt. Gijón und Oliver haben beide ein Faible dafür, auf die Bestandteile der Wörter aufmerksam zu machen, die eigentlich immer mitzudenken, Klammern, Schrägstriche, Doppelpunkte in die Wörter einzubauen. Der Band gibt einen ersten Eindruck von Lyrik, wie es sie heute in Spanien gibt, außerdem könnte er weiteres Interesse an Oliver als Lyriker und Lyrik-Übersetzer wecken und an einer weiteren Übersetzung von ihm: ,chocar con algo, zusammenprallen‘, geschrieben von der spanischen Lyrikerin Erika Martínez, die darin eine Reihe von Stigmata hinterfragt, die mit Weiblichkeit zu tun haben.“
Àxel Sanjosé, geboren in Barcelona, lebt seit 1978 in München. Er ist Lyriker und Übersetzer – ebenfalls von Lyrik – aus dem Katalanischen wie Spanischen. Bevor er ins Detail geht, möchte er unbedingt auf die in diesem Jahr neu erschienene, vierbändige Anthologie „Spanische und hispanoamerikanische Lyrik“ hinweisen und – endlich, endlich nennt ihn mal einer – auf „Don Quijote von der Mancha“, und zwar auf die neue Übersetzung des Werks von Susanne Lange aus dem Jahr 2008 („bringt ihn uns noch einmal neu näher“): „Und unbedingt empfehlen möchte ich das Buch ,Leichte Sprache‘ von Cristina Morales, wunderbar übersetzt von Friederike von Criegern. Es ist in diesem Jahr erschienen und stellt uns vier Frauen mit ‚kognitiven Einschränkungen‘ vor, die in einer betreuten Wohngemeinschaft in Barcelona leben und sich auf ihre Weise mit Initiativen, Gruppierungen …, helfenden und gleichzeitig bevormundenden, konfrontiert und herausgefordert fühlen. Die Frauen wehren und befreien sich so kräftig wie unkonventionell und dabei kommt einiges an gesellschaftlichen Schwächen und Mängeln in großer Klarheit auf den Tisch.“
Lesungen des „Instituto Cervantes“ anlässlich der Buchmesse, finden Sie hier im Veranstaltungskalender oder unter cervantes.de