Von Ulrich Schäfer-Newiger

Dieses Buch ist ein blaues Buch: Der blaue Umschlag, ein blaues Gemälde wiedergebend, innen ein blaues Selbstbildnis der Autorin, das blaue Hardcover, die 19 blauen Bilder im Innern, die von der Autorin selbst stammen. Alle fünf Gedichte im Buch sind auf blauem Untergrund mit weißer Schrift gedruckt (vom letzten, dem fünfseitigen Langgedicht Tropfen auf der Scheibe allerdings nur die erste Seite). Gleichermaßen die jeweils ersten Seiten der sechs Prosatexte. Blau soll ins Auge springen, noch bevor man eine einzige Zeile der Texte gelesen hat. Ein handwerklich hervorragend gemachtes, solides blaues Buch.

In den blauen Bildern der Autorin sind, soweit sie Gegenständlichkeit andeuten, Frau und Mann zu erkennen, schwebend, sich nicht anblickend, eher getrennt, um sie herum mal eine Taube, oft Fische. An Chagall erinnernd.  „Wir sind Braut und Bräutigam aus Chagalls Bildern. …die Farbpalette fliegt auch mit. Uns trägt die dunkelblaue Luft,“ heißt es einmal.  Gefährlich scheint der Titel der ersten Geschichte „Blau Deine Augen“, weil „blaue Augen“ Kitsch assoziieren, Banalitäten. Mit dem blauäugigen Mann liegt die Erzählerin im Ehebett; sie ist mit ihm verheiratet. Aber ganz astrein ist das Verhältnis nicht: „Die Kette um meinen Hals schneidet mir die Luft ab. Ein Geschenk von dir.“ Oder: „Deine Finger in meinen Haaren, das liebe ich so sehr; sind die zukünftigen Würmer in meinem Schädel.“ Damit wird ein Erzählprinzip der Autorin erkennbar: Ironie, spitze Lakonie, Untergründe andeutend noch in der engsten Berührung, mit der Folge, dass alles einerseits in der Schwebe bleibt, andererseits eine intime Nähe evoziert. Blau kommt vor in einigen der Texte, dosiert, nicht herrschend, nicht thematisierend. Inhaltlich gilt: Szenen einer Ehe.  Mehr wird hier nicht verraten. Die Autorin bricht Idyllen, bevor sie zu erscheinen drohen, durch erkennbare ironische Distanz, spöttisches, sprachlich gekonntes Abstandnehmen. Eine weitere Methode ist, ihre Prosasätze in einigen Texten einfach durchzuschneiden. Mit einem Slash. Das sieht dann so aus: …/ bunte Ballone über der Stadt / ab und zu platzte jemand / aber die unermüdlichen Hoffnungshelden ackerten weiter / die ganze Welt war schwanger / einmal hatte ich die blaue Leichtigkeit / schwebte leise über das Pflaster …

Die Gedichte bilden Scharniere zwischen den Prosastücken, nehmen Inhalte der Geschichten vorweg, variieren sie poetisch: Was Neues, was Altes, was Blaues / ich sage Ja /lasse mich in den Tag fallen/ schnelle Strudel, lange Stunden. Sie bleiben ernst, nachdenklich. So wie die Bilder, die die Texte interpretieren, veranschaulichen, erweitern, und zu (nichtsprachlichen) Assoziationen und Phantasien verführen.

Tania Rupel Tera ist ein interessantes, gar nicht gewöhnliches Buch gelungen, worin sie ihr Malen und Schreiben kongenial verbindet.

Tania Rupel Tera:
Wellensplitter
Geschichten und Gedichte
Hardcover, 100 Seiten
Salon Literatur Verlag München, 2023
12 Euro