Michael Endes Erbe auf Schloss Blutenburg

Von Katrin Diehl

Es ist ein kleiner Briefwechsel, der viel über Michael Ende erzählt. Da gab es einen 9-jährigen Jungen, den Peter, der nicht genug bekommen konnte von „Jim Knopf“ und dessen Abenteuern. Und also schrieb er an den, der das schwarze Findelkind Jim mit dem großen Knopf an der Hose auf die Lummerland-Welt gebracht hatte. Und Michael Ende antwortete, hielt dabei wie selbstverständlich an der Phantasiewelt, die er erschaffen hatte, fest in Schrift wie Schriftbild. Auf Peters Drängen hin nach Fortsetzungsgeschichten, bittet Ende das Kind um Geduld, „weil Lukas und Jim bis jetzt auf keine neue Abenteuerreise mehr gefahren sind.“ In einem zweiten Brief lässt Ende sogar die „Wilde 13“, eine Piratenbande, persönlich zur Feder greifen: „Sie haben auch mit viel Schwitzen und Buchstabieren versucht, Dir einen Antwortbrief zu schreiben. Vielleicht kannst Du ihn entziffern, ich kann es nicht.“ Beigelegt ist ein Bogen Papier auf dem in linkischer Schrift Buchstaben tanzen, sich zu so-richtig-falsch-geschriebenen Wörtern zusammentun. Das war Anfang der 60er Jahre.

Geboren wurde Michael Ende, der sich vor allem mit seinem „Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer“, mit „Momo“ und der „Undendlichen Geschichten“ in die Herzen und Seelen von Kindern wie Erwachsenen hineingeschrieben hatte, geboren wurde er 1929 in Garmisch. Er kann als einer der erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren gelten. Seine 30 Titel sind in über 40 Sprachen übersetzt worden, erreichten weltweit eine Auflage von über 30 Millionen. Preise bekam er viele, darunter mehrmals den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Alle Original- wie Lizenzausgaben von Endes Titel, dazu sämtliche Übersetzungen hält die Internationale Jugendbibliothek (IJB) in der Blutenburg bereit. Sie ergänzen den Teilnachlass Endes – der Hauptnachlass liegt in Marbach –, der vor allem aus einem „gegenständlichen“ Erbe besteht. Aber eben nicht nur. Da ist noch Endes Arbeitsbibliothek von an die 3.000 Büchern, da sind zahlreiche handschriftlich korrigierte Typoskripte, da sind Originalillustrationen …

Vieles davon hat sich zu einem „Michael-Ende-Museum“ – unweit von Schlossschänke und James-Krüss-Turm – formiert. Ein Nachlass also, der zum Begehen, zum Besehen und zum Erfahren einlädt.

Mit dem Michael-Ende-Museum ist die IJB nach dem Tod Endes im Jahr 1995 dem Willen dessen zweiter Ehefrau, der Japanerin Mariko Sato-Ende, gefolgt. Michael Ende und Mariko Sato hatten sich 1976 auf der Internationalen Jugendbuchmesse in Bologna kennengelernt. Dass sich Sato-Ende all die Sammelstücke ihres Mannes, Alltagsgegenstände, Möbel, Fotos…in die Räumlichkeiten der IJB wünschte, hatte ganz sicher damit zu tun, dass sie dort einige Jahre als Lektorin für japanische Literatur gearbeitet hat.

Und so kann man sich in diesem Museum wie in Endes Dachwohnung fühlen, gelegen in der Sendlinger Straße gleich gegenüber der Asamkirche. In ihr hatte er seine letzten zehn Jahre verbracht.

Kuratiert hat den Ausstellungsraum Barbara Scharioth, von 1992 bis 2007 Direktorin der IJB.

An den Holzküchentisch am Ende des Raumes hatte Ende gerne Leute geladen. Es wurde Wein getrunken und gesungen (Endes Gitarre lehnt da griffbereit). Wie in seiner einstigen Stube zieht sich auch hier an allen Wände seine Arbeitsbibliothek entlang. Die IJB ist gerade dabei, sie Buch für Buch zu erschließen. Über die Jahre hinweg ist Michael Endes Nachlass ergänzt worden, zum Beispiel durch die umfangreiche Korrespondenz mit dem Thienemann-Verlag. Sie füllt sechs geräumige Kisten. Ende hatte es mit den Illustrationen seiner Bücher immer sehr ernst genommen, was sich in dem Schriftwechsel, mal getippt auf Schreibmaschine, mal in ordentlicher, kleiner Handschrift, gut nachverfolgen lässt. Auch die Antwortbriefe an Peter gehören zu den späteren Schenkungen. Sie hängen gerahmt an der Wand. Der Peter ist längst groß, hat es zu was gebracht, war Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren und Jugend … Das Michael-Ende-Museum, das mit dem Nachlass des Schriftstellers nicht hinterm Berg hält, gibt es seit 1998. Es war in Deutschland das erste Literaturmuseum, das sich mit Kinder- und Jugendliteratur befasste. Michael Ende wäre am 12. November dieses Jahres 90 Jahre alt geworden.