Nachruf: Eine Bibliothek zu Ehren der Nazi-Opfer

Georg P. Salzmann ist gestorben.
Bücher waren seine Leidenschaft – und er ist immer fündig geworden, in Antiquariaten, auf Messen, auf Flohmärkten oder in den schäbigsten Bananenkartons vor einem Trödelladen. Georg P. Salzmann hat überall Kostbarkeiten entdeckt. Gut 15 000 Bücher hat er zusammengetragen und zwei große Sammlungen aufgebaut. Deutschlandweit bekannt geworden ist seine „Bibliothek der verbrannten Bücher“ mit 12 000 Exemplaren, die im Jahr 2009 in den Besitz der Uni Augsburg übergegangen sind. Am 9. November ist Salzmann 84-jährig in Lochham bei München gestorben. Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle würdigte Salzmann als eine „Ausnahmepersönlichkeit“, dessen Sammlung eine „enorme Bedeutung für Forschung, Lehre und Bildungsarbeit“ habe.

Ein einziges Buch, so verriet Salzmann noch in diesem Sommer, habe ihm bei der Sammlung der verbrannten Bücher gefehlt: die Trauerrede auf Sigmund Freud, die Stefan Zweig 1939 in London gehalten hat. „Aber die gab es nur in einer Auflage von 100 Stück, die an die Trauergäste verteilt wurde“, erinnerte sich der Sammler. Die Werke von 110 Autoren, die von den Nazis verfemt worden waren, hat Salzmann zusammengetragen, begonnen hat er 1949 mit Lion Feuchtwangers „Der jüdische Krieg“. In den systematischen Aufbau seiner „Bibliothek der verbrannten Bücher“ stürzte sich Salzmann Mitte der 70er Jahre. Dabei ist es ihm gelungen, 80 Autoren fast vollständig und lückenlos zu dokumentieren, von weiteren 30 Schriftstellern hat er zumindest die wichtigsten Werke sammeln können. Es waren Exemplare von Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Erich Kästner, Joseph Roth, Max Brod, Franz Werfel, Erich Maria Remarque, Thomas Mann, Carl Zuckmayer oder anderer Geächteter. Zur Bibliothek gehörten Kostbarkeiten wie die Erstausgabe der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig, die in einer Auflage von 300 Stück in Buenos Aires erschienen war. Zur Intention seiner Sammelleidenschaft hatte Salzmann einmal erklärt, er habe nicht gewollt „dass die Nazis im Nachhinein Recht behalten“. Die hatten bekanntlich am 10. Mai 1933 in mehr als 60 Städten in Deutschland die Werke fast einer ganzen Generation von Dichtern und Denkern verbrannt – allein in München nahmen 50 000 Menschen an der Bücherverbrennung teil.

2009 ging die Sammlung mit 12 000 Exemplaren in den Besitz der Augsburger Universität über – in vielen Lieferwagen wurden die kostbaren Bände an den Lech transportiert. „Mein Wohnzimmer war auf einmal ganz leer“, erzählte Salzmann. Seine Regale waren aber wieder schnell gefüllt, der 1994 pensionierte Finanzkaufmann hatte eine neue Leidenschaft entdeckt: Er trug illustrierte Bücher zusammen. Zum Schluss sollten es mehr als 3000 sein. Schwerpunkt seiner neuen Sammlung waren Werke aus der Zeit von 1900 bis 1950, illustriert von Alfred Kubin, Frans Masereel, Ernst Barlach oder George Grosz. Voll Stolz zeigte Salzmann seinen Besuchern beispielsweise eine Flaubert-Erzählung auf Büttenpapier, zu der Max Slevogt die Zeichnungen geschaffen hatte – es war die Nummer 183 bei einer Auflage von 200. Drei Stunden täglich saß Salzmann noch in diesem Sommer am Computer, um über ZVAB (Zentralverzeichnis antiquarischer Bücher) nach Fundstücken zu suchen. Unglücklich nannte Salzmann nur die Tage, an denen er kein Päckchen mit antiquarischen Bänden erhielt – glücklich war er dann, wenn er in Münchner Antiquariaten nach Kostbarkeiten stöbern konnte.
Ina Kuegler