Die Landeshauptstadt zeichnet (Nachwuchs-)Autor*innen für vielversprechende literarische Projekte aus. Die alle zwei Jahre vergebenen zehn Stipendien sind mit jeweils 8.000 Euro dotiert. Zusätzlich wird der Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Autor*innen unter 30 Jahren in Höhe von 3.000 Euro vergeben. Der Kulturausschuss des Stadtrats hat nun auf Empfehlung einer Jury die Vergabe beschlossen.
Die Literaturstipendien gehen an:
Volha Hapeyeva für ihr Lyrikprojekt „Elilenti“
Hapeyevas lyrische Sprache leuchtet, ihr gelingt es eindrucksvoll, das hoch Reflektierte, Analytische mit dem Sinnlichen, dem Kreatürlichen zu versöhnen. Ihre zutiefst humane Botschaft: Verbindet euch, sprecht mit allen Zungen, aber bleibt wachsam. Es gibt auch falschen Zungenschlag, der Zustand der Welt zeugt davon.
Louise Kenn für ihr Prosaprojekt „Die Dateien“
Liv, eine Malerin in ihren Dreißigern, muss sich während eines Dürresommers in einer psychosomatischen Klinik behandeln lassen: Sie hat „Klimaangst“. Der Roman reiht sich ein in den zeitlosen Topos der Identitätsfindung und fügt ihm eine neue Komponente der Aktualität hinzu – umgesetzt mit großem Gestaltungswillen auf formaler und sprachlicher Ebene.
Kerstin Pistorius für ihr Romanprojekt „Geister“
Die Molekularbiologin Rosa Ginter kehrt nach einem schweren Sturz ihres Vaters in ihre Heimat zurück – und dringt Schicht für Schicht in die Geschichte ihrer Familie vor. Der Text ist atmosphärisch dicht und entwickelt einen kriminalistischen Sog, in präziser Sprache und mit schönen Zwischentönen.
Lilian Robl für ihr Schreibprojekt „The Flamekeepers“
Ein literarisch wie konzeptuell beeindruckendes Schreibprojekt, das sich auf vielschichtige Weise damit auseinandersetzt, wie weibliche und queere Autorschaft erinnert, dokumentiert und gedeutet wird. Im Mittelpunkt stehen die Biografien von Ingeborg Bachmann, Emma Hauck und Rabe Perplexum. Robls Zugang zur Literatur ist forschend, suchend, intermedial – ein überzeugendes ästhetisches Statement gegen narrative Glättung und geschlossene Lesarten.
Theresa Seraphin für ihr Lyrikprojekt „SHMRZ SHW“
Ein absolut gegenwärtiger Lyrikband, der zeigt, wie heute über Sexualität, aber auch wie von „Gewalt geschrieben werden kann, ohne dass die Sprache reißt“. Nämlich persönlich und – das ist die besondere Stärke des Zyklus – überindividuell zugleich: Theresa Seraphin dichtet mit einem lyrischen Unser-Ich, das sich literarische Weggefährtinnen sucht und selbst zu einer Gefährtin wird.
Ulrike Steinke für ihre Graphic Novel „Die Schwesternschaft“
Wie lässt sich das Thema der offenen oder versteckten Frauenfeindlichkeit darstellen? Ulrike Steinke beobachtet und zeigt, was sie sieht: Frauen, die sich mühen, straucheln, Verbündete finden, weitermachen. Liebevolle Details, mit feinem Stift genau getroffene Typen, dazu eine gute Portion Humor – sie braucht weder Pathos noch dramatische Bilder, Männer und Frauen sind gleichwertig gezeichnet und von den Zumutungen erfährt man nur aus knappen Texten.
Alexandra Gutzke für ihr Kinderbuchprojekt „Rosalinde Rocket“
Eine turbulente, ein bisschen verrückte Geschichte über Rosalinde, ein selbstbewusstes Mädchen, das schon sein Leben lang Astronautin wer- den will und seine Sehnsucht in Realität verwandelt. Die Geschichte ist stilsicher und mit großer Leichtigkeit geschrieben, voller Wortwitz und Situ- ationskomik, mit sicherem Gespür für die Proportionen von Leichtem und Schwerem.
Gregor Locher für seinen Coming-of-Age-Roman „Hier unten leuchte ich“
Anton ist 16 Jahre und möchte raus: aus der Enge der schwäbischen Provinz, aus der Zuschreibung von sexueller Normierung und weg von den Erwartungen der anderen. Dieser Coming-of-Age-Roman nimmt das Gefühls- chaos junger Menschen ernst und findet eine eigene Sprache, die eben nicht Jugendsprache ist, sondern die Gefühle auslotet und sich sensibel und mit Humor seinen Charakteren annähert.
Christiane Burkhardt für ihre Übersetzung von Tiemen Hiemstras Roman: „W.“ aus dem Niederländischen
Eine Dreierfreundschaft zwischen zwei Männern und einer Frau: Es geht um Themen wie persönliche Wahrnehmung im Verhältnis zur Realität, Widersprüchlichkeit und Wahrheit. Der Autor begibt sich damit auf ein ambivalentes Feld voller Irritations- und Störmomente. In der überzeugenden Übersetzung ist das gekonnt gelöst durch einen Ton, der dem Inhalt genau entspricht und die richtige Atmosphäre schafft.
Katharina Martl für ihre Erstübersetzung von Ingeborg Arvolas Roman „Vestersand“ aus dem Norwegischen
Als zweiter Band der Eismeer-Trilogie portraitiert „Vestersand“ den vielgestaltigen soziokulturellen Raum an der norwegischen Eismeerküste im 19. Jahrhundert. Diese Vielschichtigkeit zeigt sich in der Komposition des Romans, der von der Übersetzerin tiefgreifende historische, kulturelle und milieuspezifische Kenntnisse und ein feines Gespür für stilistische Nuancen verlangt. All diese Herausforderungen bewältigt Katharina Martl mit beeindruckender Souveränität.

Der Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Literatur 2025 geht an:
Jonas Hirner für sein Theaterstück „Nachts an der Landstraße“
Der Autor hat einen ungewöhnlichen Ort gewählt: einen Autobahnrastplatz, einen Durchgangsort ohne Aufenthaltsqualität. An diesen spült es skurrile Figuren, die zu dem haltlosen Irgendwo passen. Gekonnt verdichtet und verknappt Jonas Hirner Dialoge und schafft dabei das Kunststück, den Figuren sehr präzise Tiefe zu verleihen. Dabei behält der Text Humor und Tempo bei – das alles zeugt von großer Sicherheit und Qualität.

Die Preisverleihung mit öffentlicher Lesung der Stipendiatinnen und Stipendiaten findet am Mittwoch, 10. Dezember, 19 Uhr, im Literaturhaus statt. Ausführliche Jurybegründungen und Informationen zum Preis und den Jurys unter www.muenchen.de/literatur.