Der Geschwister-Scholl-Preis 2025 geht an Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e. V. und die Landeshaupt­stadt München verleihen ihnen den Preis am 25. November 2025 für ihr Buch „Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus“ (Suhrkamp).

Jurybegründung: „Mit Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus legen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey ein Werk vor, das die politische Gegenwart ein­dringlich und zugleich mit großer Sensibilität ausleuchtet. Im Mittelpunkt steht die Erfahrung vieler Menschen, dass die Versprechen liberaler Demokratien – Freiheit, Teilhabe, soziale Sicherheit – zunehmend als unerfüllt wahrgenommen werden. Aus dieser Enttäuschung erwächst eine eigentümliche Lust an der Zerstörung.

Der von den Autor*innen entwickelte Begriff des ‚demokratischen Faschismus‘ beschreibt eine Haltung, die mitten in der Demokratie entsteht: eine Mischung aus Ressentiment, regressiver Rebellion und faschistischen Fantasien, die Institu­tionen nutzt, um sie zugleich auszuhöhlen. Diese Diagnose gründet in einer Viel­zahl von Stimmen: Interviews, Protokollen und Beobachtungen, die von Verunsi­cherung und Ausgrenzung berichten. Gerade diese Vielstimmigkeit macht deutlich, wie weit das Phänomen in die Gesellschaft hineinreicht – von der verun­sicherten Mitte bis in radikalisierte Milieus.

Amlinger und Nachtwey vermeiden einfache Schuldzuweisungen. Sie legen frei, welche Strukturen den Boden für destruktive Energien bereiten: wachsende Ungleichheit, der Verlust von Status und Zugehörigkeit, die Erosion gemeinsamer Verbindlichkeiten. So wird sichtbar, dass Zerstörungslust Ausdruck einer demokra­tischen Krise ist, die tief in den affektiven Schichten unserer Gesellschaft wurzelt.

Die Sprache des Buches ist klar und konzentriert, verdichtet statt zu überhöhen, macht komplexe Zusammenhänge durchsichtig, ohne an Tiefe zu verlieren.

Zerstörungslust zeigt unübersehbar, dass die Gefährdung der Demokratie nicht nur von außen kommt, sondern aus uns selbst erwächst. In dieser schonungslosen Analyse wird deutlich, warum das Buch den Geschwister-Scholl-Preis erhält: Es bezeugt geistige Unabhängigkeit, indem es gängige Erklärungsmuster durchbricht und unbequeme Wahrheiten ausspricht. Und es fordert bürgerliche Freiheit, moralischen und intellektuellen Mut, indem es die Lesenden dazu herausfordert, sich den Selbstgefährdungen der Demokratie zu stellen und Verantwortung für die Gegenwart zu übernehmen.

Zugleich weisen die Autor*innen über die Diagnose hinaus: Mit dem Begriff eines ‚neuen Antifaschismus‘ entwerfen sie eine Haltung, die nicht beim pädagogi­schen Appell stehenbleibt, sondern soziale Gerechtigkeit, demokratische Teilhabe und eine erneuerte Vorstellung von Freiheit ins Zentrum stellt. Damit aktualisiert das Buch das Vermächtnis der Geschwister Scholl – und macht es für unsere Zeit lebendig.“

Der Geschwister-Scholl-Preis wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. und der Landeshauptstadt München seit 1980 ver­geben. Sinn und Ziel des Geschwister-Scholl-Preises ist es, jährlich ein Buch jünge­ren Datums auszuzeichnen, das, wie es in den Statuten heißt, „von geistiger Un­abhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektu­ellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbe­wusstsein wichtige Impulse zu geben.“ Er ist mit 10.000 Euro dotiert. Zu den Preis­trägerinnen und Preisträgern zählten in den letzten Jahren unter anderem Katerina Gordeeva, David van Reybrouck, Andrej Kurkow, Joe Sacco, Dina Nayeri, Ahmet Altan, Götz Aly, Achille Mbembe, Glenn Greenwald, Otto Dov Kulka, Liao Yiwu, Joachim Gauck, Roberto Saviano, David Grossman und Anna Politkovskaja.

Der Jury unter dem Vorsitz von Kulturreferent Marek Wiechers und Klaus Füreder, Vorsitzender des Börsenvereins in Bayern, gehörten 2025 an: Natalie Amiri (Jour­nalistin und Fernsehmoderatorin), Stephan Detjen (Deutschlandfunk), Dr. Detlef Felken (C.H.Beck Verlag), Beate Meierfrankenfeld (Bayerischer Rundfunk), Prof. Dr. Frederek Musall (Universität Würzburg), Johannes Ebert (Goethe-Institut), Udo Hahn (Evangelische Akademie Tutzing), Margit Ketterle (Verlegerin), Thomas Rathnow (Verleger), Marie Schmidt (Süddeutsche Zeitung) sowie von Seiten des Stadtrats Dr. Florian Roth (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste – Volt), Leo Agerer (Fraktion CSU mit FREIE WÄHLER) und Kathrin Abele (SPD-Fraktion). Beratende Mitglieder waren Dr. Hildegard Kronawitter (Weiße Rose Stiftung e.V.), die Stadträtin Mona Fuchs (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste – Volt) sowie Stadtrat Matthias Stadler (Fraktion CSU mit FREIE WÄHLER).

Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey
„Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus“
Suhrkamp, erscheint am 13. Oktober 2025
453 Seiten, 30 Euro, ISBN 978-3-518-43266-2

Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises 2025
25. November 2025, 19 Uhr (Große Aula der LMU München, geschlossene Veranstaltung)

Informationen zu den Preisträgern 2025 und das gesamte Archiv des Geschwister-Scholl-Preises finden Sie auf der Internetseite www.geschwister-scholl-preis.de.