[LiSe 05/18] Dichter-Denkmäler in München (Folge 7)

Eine langsame Stadt
Erst spät würdigt München die Dichterin Anette Kolb 

Von Antonie Magen

Googlet man die Adresse „München, Sophienstr. 7“, wird man mit der Homepage des Parkcafés am alten botanischen Garten verbunden, die den kulinarisch Interessierten mit „deutsche[r] Hausmannskost, bayerische[n] Schmankerl[n] oder internationaler Küche“ lockt. In der Rubrik „Über uns“ findet sich zwar ein kurzer Abriss zur Geschichte des Restaurants, der auch darüber informiert, dass sich „zwischen 1854 und 1931 […] an der Stelle des heutigen Park Cafés der riesige Glaspalast“ befand. Allerdings wird nirgendwo darauf verwiesen, dass direkt neben dem avantgardistischen Ausstellungsgebäude aus Glas und Eisen, und zwar so dicht, dass „es sozusagen daran lehnte“, ein weiteres Gebäude stand, nämlich ein „etwas gespenstisch aussehende[s] Haus, das die Nummer Sieben trug“. (mehr …)

[LiSe 05/18] Buchtipps aus erster Hand

Wilma Horne von der „buchhandlung horne“ in Haidhausen empfiehlt diese beiden Romane:

Maja Lunde: Die Geschichte des Wassers
btb-Verlag

Norwegen, 2017. Die fast 70-jährige Umweltaktivistin Signe begibt sich auf eine riskante Reise: Mit einem Segelboot versucht sie die französische Küste zu erreichen. An Bord eine Fracht, die das Schicksal des blauen Planeten verändern soll.
Frankreich, 2041. Eine große Dürre zwingt die Menschen Südeuropas zur Flucht in den Norden, es ist längst nicht genug Trinkwasser für alle da. Virtuos verknüpft Maja Lunde das Leben und Lieben der Menschen mit dem, woraus alles Leben gemacht ist: dem Wasser. Ihr neuer Roman ist eine Feier des Wassers in seiner elementaren Kraft und ergreifende Warnung vor seiner Endlichkeit. Doch bei dem jungen Vater David und seiner Tochter Lou keimt Hoffnung auf, als sie in einem vertrocknetem Garten ein uraltes Segelboot entdecken. Signes Segelboot.

Garry Disher: Leiser Tod
Unionsverlag

Auf der australischen Halbinsel Mornington blüht das Verbrechen. Detective Inspector Hal Challis und sein Team haben es gerade nicht leicht. Die raffinierte Kunstdiebin Grace macht die Peninsula unsicher und den Sergeants schwer zu schaffen: Grace ist eine Meisterin ihres Fachs, erbeutet ein teures Kunstwerk nach dem anderen und verwischt gekonnt alle Spuren. Zudem treibt ein Vergewaltiger, als Polizist verkleidet, sein Unwesen auf der Halbinsel. Und dann verrät Challis auch noch in einem schwachen Moment der Presse, dass auf dem Revier gerade einiges im Argen liegt.
Garry Disher weiß einfach, wie man fesselnde Geschichten erzählt. Auch sein neuer Kriminalroman überzeugt wieder mit jeder Menge Tempo, Spannung und Sprachwitz.

buchhandlung horne, Wörthstraße 18, 81667 München

[LiSe 05/18] Lyrische Kostprobe

Der Wald ist dunkel schwer und lauscht
Drei Tropfen Harz auf jede ausgestreckte Zunge
Die volle Schale auszutrinken auszukippen
Ich zittere vor Gier und Durst
Und in der blauen Badewanne
Schrumpft Schaum zu Salz und Nackt zu roter Haut
Zwei junge Kiefernnadeln in die Schläfen
Ein Handvoll Moos auf Brust und Bauch
Ein Auge lehnt sich an das Fenster
Presst zuckt und klappt die Lider zu
Harz schmeckt nach Salz und Salz nach nackter Haut
Mein Kopf schwimmt auf

Slata Roschal

[LiSe 05/18] Graphic Novel: Poesie und Politik

Von Michael Berwanger

Erich Mühsam war 1918 – also vor hundert Jahren – Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats in München und Mitbegründer des Freistaats Bayern.

Hauptsächlich aber war der gelernte Apotheker Journalist und Autor und hatte Zeit seines Lebens Tagebuch geführt. Speziell in den frühen Tagebüchern zeigt er sich als Bürgersohn, der immer am finanziellen Tropf seiner Verwandtschaft hängt, große poetische und politische Ambitionen hegt und sich zwischen wahnwitziger Selbstüberschätzung und freundlicher Selbstironie inszeniert. Und er zeichnet – im Wortsinn – sein Selbstbild als Karikatur mit übergroßen Ohren, großer Nase und Rauschebart. (mehr …)

[LiSe 05/18] Rezension: Therapeutenschlacht

Von Michael Berwanger

Ein Privat-Sanatorium irgendwo in Bayern, luxuriös gelegen an einem kleinen See im Dezember der Jetztzeit. Der knapp 70jährige Psychotherapeut Hans Sahlfeldt begibt sich dort in die Obhut seines sieben Jahre älteren Kollegen Tiefenbach – ein Analytiker und Freudianer – vermeintlich, um sich wegen einer Depression behandeln zu lassen. Doch in Wahrheit will er ihm ein dreißig Jahre altes Gutachten vorhalten, das zu einem juristischen Fehlurteil geführt hatte, in dem ein Lehrer, ein Pfarrer und ein Hausmeister der gemeinsamen Kinderschändung an einer Schutzbefohlenen bezichtigt worden waren und das niedergeschlagen wurde. (mehr …)

[LiSe 04/18] Auf dem Weg – immer noch

Evas Töchter – Münchner Schriftstellerinnen und die moderne Frauenbewegung /Ausstellung in der Monacensia 

Von Stefanie Bürgers

München um 1900, bayerische Residenzstadt, wird zu einer der bedeutendsten Kunst- und Kulturstädte Europas, zum Zentrum der Schwabinger Bohème – und einer noch jungen Frauenbewegung, die in der Folge großen Einfluss auf das Bürgertum in ganz Bayern gewinnt. Seit 1894 ist München von der modernen Frauenbewegung bestimmt, die für ein neues Frauenbild, das Recht auf Bildung, Selbstbestimmung und Erwerbstätigkeit der Frau eintritt. Die Stadt ist geprägt von Frauen wie Anita Augspurg, Sophia Goudstikker, Ika Freudenberg, Emma Merk, Marie Haushofer, Carry Brachvogel, Helene Böhlau, Emmy von Egidy und vielen anderen. Betritt man die Monacensia-Ausstellung, blicken einen diese Damen aus lebensgroßen Fotografien direkt und herausfordernd an.  (mehr …)