[LiSe 11/17] November trägt den Trauerflor

Auf der Suche nach Gräbern von Münchner Dichtern

Von Antonie Magen

Herbst, November, das Jahr neigt sich dem Ende zu, alles deutet auf Winter. Schon immer war dieser Monat ein beliebtes lyrisches Thema, das Raum gibt für Melancholie und Schwermut, für Innehalten, Rückschau, Andenken. November – das ist der Monat, der mit einem Tag beginnt, an dem der Toten gedacht wird, der Abwesenden, die nur noch in der Erinnerung leben, die längst so irreal geworden ist, dass sie mehr einem Traum gleicht als der Wirklichkeit. So empfand es zumindest Paul Heyse, der im Gedicht „Allerseelen“ schrieb: „Ach, hörst du nicht sausen/Den Herbstwind im Baum?/Ach, ging nicht die Liebe/Dahin wie ein Traum?//Vom Hügel, darunter/Sie schlummert schon lang,/Klingt leise das Liedchen,/Das einst sie dir sang“. Heute ruht Heyse selbst im Grab – auf dem Waldfriedhof, auf dem es nicht an Bäumen fehlt, in denen der Herbstwind sein vergängliches Lied singt. Mit einem einfachen Hügel allerdings ist es nicht getan. Heyses Grabmal ist so monumental, wie es sich für einen Nobelpreisträger gehört, und als antikisierende Ruine gestaltet. (mehr …)

[LiSe 11/17] Kolumne: Schädel-Trauma

Über Gräber und Skelette schwappt eine Welle aus Wahrheitswunsch, Wissensdurst und irrwitziger Identitätssuche. Allerorten werden Grabsteine gelüftet, Särge gehoben und Skelette sortiert. Erst vor wenigen Wochen musste sich der seit 1989 einbalsamierte Salvador Dali, in Figueres zur ewigen Ruhe gebettet, aus einer Zahnhöhle Gewebe entnehmen lassen. – Vaterschaftsbestimmung! Er war es nicht. Wir wollen diese Causa aber hier jetzt nicht vertiefen, denn wesentlich dramatischer erging es Friedrich Schiller. Ja wieso jetzt dem? (mehr …)

[LiSe 11/17] Lyrische Kostprobe

Das Gedicht ist ein anderes

Du bist der, der du nicht bist
ich ist ein anderer, sagte er
bin also ich, was ich nicht
bin zwischen dir und mir
und beide sind wir
begrenzt durch das, was nicht
du bist ein Teil von mir
wenn ich nicht du wäre,
dann wüsste ich nicht,
dass ich ich
Bist ich du und bin du ich
unendlich
wenn ich eine andere bin und du ein anderer
dann ist alles gleich
so anders

Véronique Dehimi

[LiSe 11/17] Alles echt. Alles Fiktion.

Literaturfest München 2017

Am 15. November geht es los.

Wer glaubt, nach sieben Literaturfesten in München ist Neues eigentlich nicht zu erwarten, wird enttäuscht sein. Das 8. Literaturfest kann noch mehr als seine Vorgänger. Mit einem PANOPTIKUM in der Galerie des Literaturhauses und einer allabendlichen Bar gibt es ein kommunikatives Zentrum, mit einem Angebot zum Thema „Filme lesen“ werden überraschende Einblicke in ein anderes Format möglich. Dabei ist das Bewährte – forum:autoren, Bücherschau, Indie-Book-Bazar und Bayern2-Diwan – schon aufregend genug. Es locken: Olli Dittrich, Alina Herbing, Verena Kast, Ijoma Mangold, Ingo Schulze, Nora Gomringer und Ulla Hahn und viele andere interessante Autoren mehr. Das reicht nicht?

Ursula Sautmann

Im Internet steht wirklich alles unter www.literaturfest-muenchen.de

[LiSe 11/17] Literarischer Ausnahmezustand

Von Salman Rushdie bis Nora Gomringer / Zum 58. Mal: die Bücherschau

Von Ursula Sautmann

Es ist ein angenehmer Ausnahmezustand, ein Fest“, stellt Hans-Georg Küppers, Kulturreferent der Landeshauptstadt, klar. Die Organisatoren des diesjährigen Programms konnten rund 80 internationale Autoren gewinnen. Um ihren Auftritt herum gruppieren sich so wichtige Veranstaltungen wie die Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises für moralischen und intellektuellen Mut am 20. November (mit öffentlicher Lesung einen Tag später in der Buchhandlung Lehmkuhl) sowie der Markt der unabhängigen Verlage „Andere Bücher braucht das Land“ am 2. und 3. Dezember im Literaturhaus. (mehr …)

[LiSe 11/17] Rezension: Gerechtigkeitsstress

Petra Morsbach seziert den Justizleib

Von Wolfram Hirche

Na schön, 479 Seiten über die Münchner Justiz zu lesen, ist nicht jedermanns Sache, und Herbert Rosendorfer hat sich schon anno 1981 der Materie auf satirische Weise angenommen in „Ballmanns Leiden oder Lehrbuch für Konkursrecht“ – wobei Satiren oft nach 50 Seiten zu ermüden beginnen. Was Petra Morsbach, die in Starnberg lebende Autorin, in ihrem siebten Roman dagegen schafft, ist keineswegs ermüdend. Es gelingt ihr, den Leser durch raffinierte Vor-und Rückblenden, durch Perspektivenwechsel und vor allem durch die eindringliche Schilderung der Hauptfigur Thirza Zorniger wach und in Spannung zu halten. Im Grunde präsentiert sie uns damit ein kritisches Sachbuch über Leiden und Triumph der Richterschaft anhand von mehr als 30 konkreten Justizfällen, betrachtet durch die sehr persönliche Brille ihrer Heldin, jener tüchtigen Tochter eines genialischen Schauspielers („Augenbrauenwunder“) und einer ihm kurzzeitig verfallenen Halbjuristin. (mehr …)