by LiSe | 28. Nov. 2020 | Blog, Titelgeschichte
Anmerkungen zum Boom von Krimis über die „Goldenen Zwanziger“
Von Michael Berwanger
Ein weiter, gepflasterter Platz, Hunderte von Menschen eilen darüber, ein paar Autos, eine Tram. Neben dem Kaufhaus „Jonaß & Co“ erhebt sich die „Rote Burg“, das legendäre Polizeipräsidium am Alexanderplatz in Berlin. Kommissar Gereon Rath steigt aus der Straßenbahn – er trägt Anzug, Gabardine-Mantel, Fedora-Hut –, eilt am Zeitungskiosk vorbei zur „Burg“. So sieht sie aus, die immer wiederkehrende Sequenz aus der spektakulär inszenierten Fernsehserie „Babylon Berlin“, einer Verfilmung, die auf Volker Kutschers Kriminalroman „Der nasse Fisch“ basiert. (mehr …)
by LiSe | 28. Okt. 2020 | Blog, Titelgeschichte
Wie sich die Gründerin der Internationalen Jugendbibliothek wiederentdecken lässt.
Von Katrin Diehl
Ein Buch ist eine gute Beigabe, wenn es darum geht, jemanden ins Gedächtnis zurück zu rufen. Und so passte es, dass bei der Gedenkveranstaltung für Jella Lepman – sie ist vor 50 Jahren gestorben – in der Internationalen Jugendbibliothek (IJB) eine „Neuauflage“ ihrer „Kinderbuchbrücke“ präsentiert wurde.
Jella Lepman, die 1891 in Stuttgart in ein jüdisch-liberales, gutbürgerliches Elternhaus geboren wurde, die unter den Nazis Deutschland verlassen musste, dies 1936 mit ihren zwei Kindern in Richtung England getan hat, und die 1945, gleich nach dem Krieg, als ehemalige Journalistin eines US-amerikanischen Senders die Anfrage erreichte, ob sie als Beraterin der US-Armee im Rahmen des „Reeducation“-Programms nach Deutschland zurückkehren würde …, Jella Lepman hat ja gesagt. Nicht ohne Zögern. Nicht ohne Zweifel. Aber sie hat ja gesagt, kam nach München, setzte auf Bücher aus der ganzen Welt, die den vom Krieg traumatisierten und von der Nazi-Ideologie indoktrinierten Kindern einen neuen, freien Blick ermöglichten. (mehr …)
by LiSe | 9. Okt. 2020 | Blog, Titelgeschichte
Keine Frankfurter Buchmesse?
Ein Dichter dichtet einfach weiter …
Von Katrin Diehl
Uwe-Michael Gutzschhahn ist breit aufgestellt. Der 68-Jährige, der in Dortmund aufgewachsen ist, in Bochum Germanistik und Anglistik studiert, anschließend über Christoph Meckel promoviert hat, ist – so lässt sich das eindeutig sagen – als Autor, Dichter, Übersetzer, Herausgeber, Lektor … in Sachen „Sprache“ unterwegs. Sie steht im Mittelpunkt seiner Lebenswelt und das beinahe ohne Unterlass. Das klingt anstrengend, wären da nicht heitere Passion und unbändige Faszination mit im Boot, die sich dem offenbaren, der sich längst mit leichten Schwingen über die Ebene nüchterner Kommunikationsmodelle erhoben, die reine Funktionalität der Sprache als Fakt registriert und einfach abgehakt hat. „Wenn man bedenkt, dass man nur mit der Sprache das Gegenteil der Realität denken und ausdrücken kann …“, sagt Gutzschhahn. Auf das „Dann“, das da eigentlich noch folgen müsste, verzichtet er vielsagend. Gibt sich und seinem Gegenüber Zeit zum Staunen. (mehr …)
by LiSe | 29. Aug. 2020 | Blog, Titelgeschichte
Böhmische Spuren in München
Von Katrin Diehl
Es ist reiner Zufall. Im Februar 1897 bezog der Dichter Rainer Maria Rilke in der Blütenstraße 8 sein neues Zuhause. Für den 22-jährigen Studenten der Kunstgeschichte war das bereits – nach der Brienner Straße 48 – die zweite Adresse in der königlichen Residenzstadt. Jetzt also Schwabing, und das Haus, in dem er untergekommen war, konnte sich ja durchaus auch sehen lassen: ein Eckgebäude mit Erkern, die sich über einem stattlichen Eingang von Stockwerk zu Stockwerk zu einem Turm formierten, den ganz oben ein spitzes Dach krönte, was alles ganz und gar den Architekturmoden des zu der Zeit recht beliebten Historismus entsprach. Nicht weit von Rilke entfernt wohnte, in der Schellingstraße, die Dichterin Lou Andreas-Salomé, in die sich Rilke verliebte und mit der er dann auch Ende des Jahres nach Wolfratshausen zog.
Ein Brief, den er im Mai 1897, gerichtet an die „Gnädigste Frau“, in der Blütenstraße 8 verfasst hat, zeugt von dieser Liaison. Er lässt sich heute – für Sütterlin-Kundige – auf einer Erinnerungstafel, die sich im Treppenhaus des Gebäudes Blütenstraße 8 befindet, nachlesen. Von außen erinnert nichts mehr ans gutbürgerliche Stadtgebäude aus Rilkes Zeiten. Das ist, wie so vieles, im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. (mehr …)
by LiSe | 29. Juni 2020 | Blog, Titelgeschichte
Thomas Mann und die Politik – eine Ausstellung zur aktuellen Demokratie-Debatte im Münchner Literaturhaus.
Von Katrina Behrend Lesch
1938 konstatierte Thomas Mann, „(d)ass Demokratie heute kein gesichertes Gut, dass sie angefeindet, von innen und außen schwer bedroht, dass sie wieder zum Problem geworden ist.“ Heute haben seine Worte bestürzende Realität gewonnen, nach 75 Jahren Frieden und Freiheit, in einer Gesellschaft, in der Kräfte erneut an unseren demokratischen Grundwerten rütteln wollen. Diese Debatte um die Demokratie der Gegenwart hat das Literaturhaus aufgegriffen und sie am Beispiel Thomas Manns und seiner durchaus verschlungenen Entwicklung zu einem politischen Menschen in einer trefflichen Ausstellung veranschaulicht. Die Idee dazu kam der Leiterin Tanja Graf nach der Lektüre des jüngsten Werks „Das Weiße Haus des Exils“ von Frido Mann. Der heute in München lebende Enkel Thomas Manns erinnert sich darin an das kalifornische Haus seines Großvaters, das von der Bundesrepublik gekauft und 2018 als transatlantische Begegnungsstätte eröffnet wurde. In dem Buch (übrigens auch in einem Film, der in der Ausstellung gezeigt wird) wandert Frido Mann von Zimmer zu Zimmer, beschreibt die Zeit, die er dort als Kind verbracht hat, und verschränkt seine Erinnerungen mit den damaligen Ereignissen und den Reaktionen seiner Familie darauf, sie gleichzeitig in Beziehung zur heutigen Demokratie-Debatte setzend. (mehr …)
by LiSe | 29. Mai 2020 | Blog, Titelgeschichte
Michael Ott ist Teamleiter der Abteilung 1 – Darstellende Kunst, Literatur, Film, Wissenschaft und Preise im Kulturreferat der Landeshauptstadt München.
LiteraturSeiten München (LSM): Sie sind im Kulturreferat der Stadt München u. a. für die Literaturförderung zuständig, welche Bereiche genau umfasst diese Förderung?
Michael Ott: Wir unterstützen zum einen Institutionen wie das Literaturhaus, die Internationale Jugendbibliothek oder das Lyrik Kabinett mit Zuschüssen; auch das Münchner Literaturfest gehört hierzu. Zum zweiten gibt es viele einzelne Veranstaltungen, Reihen, poetry slams oder kleinere Festivals, die wir durch Kooperationsbeiträge fördern und oft erst ermöglichen. Und schließlich unterstützen wir Autor*innen mit Preisen und Stipendien – vom Münchner Literaturpreis über die Arbeitsstipendien bis zum Hoferichter- oder Tukanpreis; hier organisieren wir Jurys und Preisverleihungen. In engem Austausch sind wir auch mit der Stadtbibliothek und der Münchner Volkshochschule, die aber eigenständige Institutionen mit eigenem Veranstaltungsprogramm sind. (mehr …)