Rhythm is it

Von Katrin Diehl

Wie geht es los mit einem Text? Was genau gibt den Startschuss fürs Schreiben und wie geht’s dann weiter? Die Autorin und Regisseurin Caitlin van der Maas antwortet auf diese Frage mit einem tollen KatzebeißtsichindenSchwanz-Satz: „Am Anfang steht das Wort, das zu einem Bild wird und dieses Bild wird zu meinem Leitfaden entlang dessen ich nach weiteren Worten suche und darüber finde ich dann auch die Menschen, die meine Texte ausstatten, aber auch die, die mich bei meinen Stücken begleiten und also eventuell auch die Komponisten, die Musik entwerfen, die dann wiederum zu meinen Worten passt und damit ergibt sich das nächste Wort …“.

Caitlin van der Maas, 1983 im niederländischen Amersfoort geboren, baut auf Offenheit, wobei das Bewusstsein für die unterschiedlichen Gattungen – Lyrik, Epik, Drama – immer stark mitschwingt, sie um deren jeweilige Wirkungskraft und Funktion weiß und genau deshalb überhaupt keinen Grund darin sieht, sie nicht hier und da zu vereinen und ineinander zu bauen: „Auch, wenn ich Prosa schreibe, denke ich irgendwie in Theatertexten. Ich sehe immer das Thea-tralische, das Szenische und da rutscht man ja auch ganz schnell, wenn es zum Beispiel Dialoge gibt, hinein. Und mir ist beim Schreiben immer auch das Musik-Potential präsent, das in der Sprache wie in der jeweiligen Thematik liegt. Und auch die Idee von Lyrik, von Poesie ist immer da, ganz gleich, in welcher Textart ich mich gerade befinde und das kann dann eben auch ein Text für die Bühne sein.“ Und manchmal gibt es noch so etwas wie eine tragende Wellenbewegung, die sich durch die Zeilen zu ziehen scheint:

„Arianna 1: Ich stehe hier Ariadne 2: Auf diesem Quai Ariane 3: beim Sonnenuntergang Ariadne 2: Schreibe diesen Arianna 1: Webe dieses Arianna 1: Kleid. Ariadne 2: Brief (aus „Arianna, Ariadne, Ariane“, 2018).“ Musik spielt in van der Maas‘ Texten immer mal wieder begleitend oder mitbestimmend eine Rolle. Das mag damit zu tun haben, dass in ihrem Elternhaus musiziert wurde – „meine Mutter ist eine sehr begabte Geigerin …“ – im Grunde aber habe sie dazu, wie sie erklärt, übers Sprachempfinden gefunden, „über die Sprache als Gehörte“. Vielleicht stand ja auch tatsächlich am Anfang von allem der Schnabelhieb eines Vogels, ein vielsagender Rhythmus oder wie es in „Short-lived“ (2016) heißt: „Aber ich bin nicht Adam. Das nicht. Er war der Erste. Nicht? Ra ra ra ra ra … Einen Rhytmus finden. Einen Auftakt…“

Caitlin van der Maas hat in Amsterdam Regie studiert, sich im niederländischen Zwolle zur Theaterdozentin ausbilden lassen, arbeitete 2015 unter Johan Simons und Luk Perceval in der Produktionsleitung der Ruhrtriennale mit, war drei Jahre lang in der Regieasistenz für die Münchner Kammerspiele tätig. Sie ist eine Theaterfrau, die schreibt. Auch immer mal wieder für Jugendliche. „Jugendliche sind für mich interessant“, sagt sie, „ich mag ihre Leidenschaft, anzuecken, ihre Art, Behauptungen in sich zu tragen und zur gleichen Zeit, auf der Suche zu sein …, darin steckt eine gewisse Energie, die einen Austausch möglich macht, da kann man wunderbar andocken“. Dabei gehe es ihr in ihren Texten – ganz gleich für welches Publikum – niemals um die Demonstration einer, ihrer Meinung, „eher um die Erkenntnis, dass es keine Sicherheiten gibt, denn was wir für sicher halten, baut ja ‚nur‘ auf Meinungen auf“. Ihr dagegen sei es wichtig, unterschiedliche Ansichten anzubieten. Dass es daneben natürlich auch harte Fakten gebe, das sei ja gar keine Frage, fügt sie hinzu, aber gerade deshalb interessiere sie sich eben „für den ganzen anderen Rest“.

Caitlin van der Maas mag die deutsche Sprache, „ihre Sätze von biblischer Länge“, mit denen man genau sagen könne, was man sagen wolle. Sie habe sich, so klassisch wie „klischeehaft“, über Goethes Faust ins Deutsche verliebt während eines Erasmussemesters in Hamburg. Reime, Knittelverse, Blankverse … haben es ihr angetan. Ihr letztes Stück, das im Februar 2021 im Schwere Reiter uraufgeführt wurde, trägt den Titel „Karl im All zu Hause“. Darin prallen Welten aufeinander: einmal die der Pop Musik samt ganzer Branche, dann die total virtuelle, die den Menschen irgendwie ganz in sich verschwinden lassen kann.

Vom Netzwerk Münchner Theatertexter*innen ist Caitlin van der Maas gerade zur aktuellen Stipendiatin gemacht worden, die während einer „Tour des Textes“ Kollegen und Kolleginnen aus München, Wien, Berlin und Südtirol kennenlernen wird und dabei einen eigenen Text zur Diskussion stellt. In dem „wird es um Sterbehilfe gehen“, sagt sie, und dass sie noch nicht mehr verraten wolle. „Ich werde da in viele Ecken leuchten.“

In unserer Serie „Jung und schreibend“, in der wir junge Münchner Autor*innen vorstellen, porträtierten wir bisher Lisa Jeschke, Leander Steinkopf, Daniel Bayerstorfer, Katharina Adler und Benedikt Feiten.