Von Horst Oberbeil

Ich bin städtischer Laubbläser und als solcher saisonbedingter Quartalsbläser von September bis Dezember. Früher war ich Blechbläser, genauer gesagt Hornist, und ging zum Üben in den Wald. Doch eine Karriere blieb mir versagt. Ich hatte zu viele Tonausfälle. Der Dirigent sagte zu mir, ich sei kein Künstler, sondern ein Kiekser und schickte mich heim. Da hängte ich das Blech an den Nagel und beschloss, Laubbläser zu werden.

Man nahm mich dankbar bei der Stadt auf. Laubbläser sind gesucht. Bei der Einstellung musste ich weder Notenkenntnisse vorweisen noch wurde ich über die Theorie des Laubbläserwissens befragt. Auch das Vorblasen ersparte man mir. Als Blechbläser habe ich vor Anstrengung immer einen roten Kopf bekommen. Als Laubbläser leidet mein Kopf eher an mangelnder Durchblutung. Normalerweise müsste ich mir wegen der Lautstärke meines Instruments mit beiden Händen die Ohren zuhalten. Doch da ich zum Blasen, wie beim Horn, beide Hände brauche, trage ich Ohrenschützer.

Als Laubbläser bin ich gegenüber den Blechbläsern im Vorteil. Ich brauche weder Takt noch Vortragszeichen zu beachten noch mühsam Töne zu suchen. Mein Instrument hat nur einen einzigen gleichbleibenden Ton und der ist undefinierbar. Weder Mundstück noch Lippenansatz sind erforderlich. Der Luftstrom wird nicht durch die Lunge, sondern elektrisch gesteuert. Beim Laubblasinstrument bekomme ich den Ton automatisch geliefert, beim Horn brachte ich manchmal keinen Ton heraus, sondern nur heiße Luft.

Ich blase auf Straßen, Wegen und Stegen. Beim Straßenkonzert bekomme ich nie Lampenfieber. Ich habe weder Angst vor falschen Tönen noch muss ich Spott und Buhrufe befürchten. Im Gegenteil: Die Leute haben Angst vor mir, Angst vor Vertreibung und weichen mir aus. Natürlich schalte ich mein Blasinstrument aus, wenn sich die Angst in den Augen der Vorübergehenden spiegelt. Doch manchmal durchzuckt mich der Wille, einfach weiterzublasen wie früher im Sinfonieorchester, wo mich nur der Dirigent in meiner Lautstärke bremsen konnte. Dem Willen des Dirigenten mich zu unterwerfen gelang mir meistens, wenn auch mit Mühe. Doch dem Willen der Laufkundschaft nachzugeben widerstrebt mir. Das ist unter meiner Würde. Deshalb blase ich ab und zu in die Luft, wenn Leute vorbeigehen, und genieße deren Erschrecken. Diese kleine Freude gönne ich mir.

Für nächste Woche haben mich die Stadtwerke einbestellt. Sicher erhalte ich eine Belobigung, weil ich immer pünktlich zur Arbeit erscheine und noch nie krankgemacht habe.