Austern fischen

Bettina Deininger entdeckt französische Autor*innen für den deutschen Markt.

Von Markus Czeslik

Wenn man mit Bettina Deininger spricht, fällt einem sofort ihre entwaffnende Herzlichkeit auf, ihre große Offenheit und Neugier auf das Gegenüber. Eigenschaften, die im Verlagsgeschäft Gold wert sind, vor allem, wenn man sich als „Indie“ am Markt einen Namen machen und die literarischen Perlen finden möchte, die den Großverlagen entgangen sind.

Bettina Deininger hat sich – wenn man so will – auf Austern spezialisiert und es sich zur Aufgabe gemacht, jene französischen Autor*innen auf den deutschen Buchmarkt zu bringen, die im Nachbarland bereits Furore gemacht haben. Éric Faye zum Beispiel hat für „Zimmer frei in Nagasaki“ den Grand Prix de l’Académie Française erhalten, und Stéphanie Coste wurde für ihr Debüt „Der Schleuser“ mehrfach ausgezeichnet.

Es verwundert nicht, dass die Sprache ein ganz wesentliches Qualitätsmerkmal für die studierte Romanistin Deininger ist und die Frage des Stils auch zu ihrer Entscheidung beiträgt: Veröffentlichen oder nicht? Für die Antwort lässt sie sich Zeit. „Etwa alle zwei Jahre“, sagt sie, komme ein handverlesenes Buch in ihrem Austernbank Verlag heraus. Bewusstes „Slow publishing“, könnte man ihr Geschäft auch nennen. Schließlich soll das Buch eine lange Verweildauer haben und nicht dem erstbesten Trend hinterherlaufen. „Natürlich sollen meine Bücher unterhalten, aber ich möchte mit den Themen auch überraschen. Der Leser darf sich gern an den Inhalten festhaken und reiben.“

Exemplarisch dafür steht ihr bisheriger Bestseller „Der Schleuser“. Das Buch ist in einem rauen, herben Ton verfasst und berichtet aus der Perspektive eines Schleusers von der Flüchtlingskrise an der libyschen Küste. Es liest sich wie in einem Fluss durch verschiedene Zeit-ebenen, dabei gibt es viele Biegungen und Stromschnellen zu umschiffen. In Frankreich hat es Coste mit dieser grundehrlichen Story, in der nichts romantisiert wird, in die Abitur-Lektüreliste geschafft. Auf der letztjährigen Frankfurter Buchmesse durfte sie das Buch auf der großen Literaturbühne der ARD präsentieren.

„Ich schaue nach universalen Themen, mit denen auch ein Leser in Deutschland sofort etwas anfangen kann“, sagt Deininger. In den meisten Fällen ist es für die Autor*innen die Erstübersetzung ins Deutsche. „Wenn diese dann die Tür für weitere Sprachen öffnet, freut mich das immer sehr.“

Entweder überträgt sie selbst aus dem Französischen oder sie arbeitet mit freien Übersetzer*innen wie Katharina Triebner-Cabald zusammen, die für den Preis der Leipziger Buchmesse 2023 nominiert wurde. Dabei gibt es einige sprachliche Herausforderungen zu meistern – etwa wenn der gebürtige Kameruner Max Lobe Anleihen aus seiner Muttersprache einwebt. Deininger ist es wichtig, dass die Sprachmelodie aus dem Französischen ohne Verlust übertragen und nichts geglättet wird. Nur verständlich müsse es sein.

Die Verlegerin hat sich ihr Netzwerk aufgebaut, reist und recherchiert viel, besucht regelmäßig den Salon du Livre in Paris, spricht mit Agenten und Lizenzabteilungen. Hilfreich sind auch ihre Kontakte zur romanistischen Fakultät der LMU oder zum Instititut français. Und dann gibt es die glücklichen Zufälle wie im Jahr 2015, in dem der Friedensnobelpreis nach Tunesien ging – zeitgleich mit ihrer Veröffentlichung von „Die Serenaden des Ibrahim Santos“ von Yamen Manai. Aufgrund der Zensur verlagerte der Tunesier seine Politsatire in die Karibik.

Und welche französische Star-Autorin bzw. welchen Autor hätte sie selbst gern entdeckt? Bettina Deininger muss lange überlegen, schließlich ist sie rundum glücklich mit ihrer eigenen Autorenauswahl. Aber dann nennt sie doch noch Amélie Nothomb aus dem Diogenes Verlag: „Ihre Romane sind witzig, hintersinnig, raffiniert … und immer überraschend.“

Um für die in Deutschland noch unbekannten Namen die Werbetrommel zu rühren, hilft ihr der Zusammenschluss mit den unabhängigen „Münchner Buchmachern“, die am 29. Juni wieder eines ihrer Bücherfeste am Schleusenwärterhäuschen veranstalten – oder die Indie-Plattform (und zugleich das Magazin) „Schöne Bücher“. Die auffallend ästhetische Gestaltung ihrer Bücher verdankt sie Anja Wesner, die auch das „Münchner Feuilleton“ designt.

Der Scheinwerfer richtet sich zunehmend auf den Indie-Markt, auch über Verlagsprämien und Hotlist-Auszeichnungen. Aber einen Wunsch hätte Bettina Deininger noch: „Wenn das Literarische Quartett im ZDF eine reine Indie-Folge ausstrahlen würde, das wäre ein starkes Signal.“

Mehr Informationen unter: www.austernbank-verlag.de

Bisher erschienen in der Reihe „Unabhängige Verlage“: Hagebutte Verlag, Stroux edition, Schillo Verlag und Eisele Verlag