Für Krisha Kops ist Schreiben ein Akt der Selbstermächtigung.

Von Markus Czeslik

Krisha Kops wählt seine Worte mit Bedacht. Mal spricht aus ihm der Schriftsteller, mal der Philosoph, der sich die Welt aus Ideen, Argumenten und Begriffen zusammenzusetzen sucht. Ob er Heidegger, Platon oder die indischen Veden zitiert oder sich für die aktuelle Oppenheimer-Verfilmung von Christopher Nolan begeistert – es dreht sich immer um unser Verhältnis zum Sein, das seiner Ansicht nach stark aus dem Gleichgewicht geraten ist. „Ich bin kein Diskursautor“, ist ihm dabei wichtig zu sagen. „Es geht mir nicht primär darum, philosophische Fragestellungen über Literatur zu vermitteln.“ Krisha Kops, der deutscher und indischer Herkunft ist, schreibt aus der eigenen Erfahrung heraus – auch oder gerade wenn, sie schmerzt.

Seine Erstveröffentlichung „Das ewige Rauschen“ von 2022, in der wir Anklänge an den magischen Realismus finden, bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Roman und Epos. Die Rahmenhandlung bildet einen geschlossenen Kosmos, das Schicksal der Helden und Antihelden scheint vorgezeichnet. Auf der anderen Seite eröffnet sich den Figuren eine Welt voller Möglichkeiten, in der sie sich freier und gleichzeitig verlorener fühlen. Diese Zerrissenheit, den Zwiespalt zwischen Geborgensein im Kreislauf und ewiger Suche macht Krisha Kops vor allem an der Vater-Sohn-Beziehung greifbar.

„Im Grunde ist es ein Text, mit dem ich einiges aufarbeiten wollte“, erzählt er. „Es war auch eine Arbeit an mir selbst, der Versuch, mir über meine Familie und mich klarzuwerden“. Die literarische Form und die darin immer wieder aufblitzende Ironie schaffen die nötige Distanz. So pendelt die Erzählung geschickt zwischen Fiktionalisierung und der Verarbeitung von realen Ereignissen. „Das gefällt mir am magischen Realismus. Dass ich damit die Glasur der Fiktion über dem Geschehen noch dicker auftragen und gleichzeitig die Realität darunter noch mehr hervorscheinen lassen kann.“

Schreiben ist für den Gewinner des Haidhauser Werkstattpreises von 2020 und des Bayerischen Kunstförderpreises von 2022 auch ein Akt der Selbstermächtigung, ein Mittel, um die erfahrene Geschichte zu seiner zu machen und sie zwischen zwei Buchdeckel zu bändigen. Das suggeriere eine gewisse Kontrolle: „Erzählungen sind Strategien der Vereinfachung, um mit der Komplexität des Lebens zurechtzukommen.“

Für seinen ebenso ungewöhnlichen wie vielschichtigen Roman, der einen weiten Bogen spannt über Kontinente, Kulturen und Generationen, hat Krisha Kops den Banyanbaum als Erzählstimme gewählt. Die Feige verdankt ihr Wachstum in Form von Luftwurzeln einem Singvogel, der den Samen auf eine Mauer oder einen Wirtsbaum fallen lässt. Dieses „Ins-Leben-geworfen“-Sein, den Wunsch nach Verwurzelung sieht er sinnbildlich für die menschliche Existenz.

Krisha Kops wurde in München geboren. Hier vermisst er am meisten das Haus seines Vaters in Indien – auch wenn ihn dieses Land der Extreme manchmal ermüde: „Indien ist das Leben mit drei multipliziert“. Was ist für ihn Heimat? „Ich verorte mich eher im Dazwischen – einem Raum, den es noch viel stärker zu erkunden gilt.“ Die Kategorie des Binären, die Aufteilung in ein „Ich“ und der „andere“ hält er für unzureichend, die extreme Subjektorientierung und den Materialismus ursächlich für die großen Probleme unserer Zeit.

Deshalb widmet er sich neben seinem neuen Romanprojekt, für das er zwei Stipendien erhielt, der interkulturellen Philosophie, die das „Dazwischen“ auch auf Identitäten und Geschlechter bezieht. Krisha Kops schrieb seine Dissertation über die modernen Rezeptionen der Bhagavad Gita, eines spirituellen Lehrgesprächs über ethisches Handeln. Mit welcher Haltung wir der Welt entgegentreten und wie wir unser Menschsein definieren, ist für Kops von zentraler Bedeutung. In seinen Vorträgen, Podcasts und Workshops setzt er sich für mehr Gerechtigkeit ein, dafür, dass sich die Dinge zum Besseren wenden – im Sinne einer Kultivierung statt bloßer Optimierung. Darunter fällt auch seine Unterstützung von Minderheiten oder von Netzwerken, die auf gegenseitige Hilfe bauen. Krisha Kops macht Philosophie für den Alltag anwendbar, ohne dabei einen Absolutheitsanspruch zu haben. „Jede Position ist hinterfragbar. Wenn ich eine Meinung revidiere, ist das für mich ein willkommenes Zeichen, dazugelernt zu haben.“

In unserer Serie „Jung und schreibend“, in der wir junge Münchner Autor*innen vorstellen, porträtierten wir bisher Lisa Jeschke, Leander Steinkopf, Daniel Bayerstorfer, Katharina Adler, Benedikt Feiten, Caitlin van der Maas, Samuel Fischer-Glaser, Vladimir Kholodkov, Annika Domainko, Jan Geiger, Ines Frieda Försterling, Rebecca Faber, Natascha Berglehner, Tristan Marquardt, Martin Kordić, Moritz Hürtgen, Bernhard Heckler, Joana Osman, Mira Mann und Slata Roschal.