Mein Herzensschatzerl! ich schreib Dir schon wieder, weil ichs nicht aushalten kann …“ so der junge Albert Einstein anno 1901 an seine Geliebte, Mileva Marić, nicht ahnend, wie böse es enden sollte. Für Verlage sind die Briefe der Berühmten ein gefundenes Festessen, egal ob sie von Franz Kafka, Ingeborg Bachmann oder Theodor Fontane stammen – solide Auflagen sind garantiert. Im Zeitalter der E-mails könnte diese Quelle aber sehr bald versiegen, was also tun? – Am besten, man sammelt die Post des eigenen Personals! (Andere Verleger expandieren, indem sie attraktiven Damen einen eigenen Verlag schenken – aber das ist eher die Ausnahme.)

Suhrkamp zum Beispiel hat vor kurzem die Reiseberichte seines legendären Chefs Siegfried Unseld aus 40 Jahren vorgelegt, der rastlos quer durch die Welt flog, um Autoren, Übersetzer und Verlagskollegen zu treffen. Geschäftsessen mussten spendiert werden, vergiftete Pilze wurden mal gegessen, mal serviert. Und „Mord“, wenn auch nur symbolisch, gehörte zum täglichen Geschäft. Auch vom Ritterschlag (1989) durch Samuel Beckett berichtet („you are the best publisher anyway“) Unseld und über heikle Honorarverhandlungen   mit erlesenen Dinner-Gästen. Wobei auch hier enttäuschte Liebe nicht zu kurz kommt. Denn nicht immer gelang es dem umtriebigen Verleger, die Balance zu halten zwischen seinen salon-sozialistischen Autoren und, so hätten sie wohl gesagt, dem „Kapitalverwertungsinteresse“ seines Suhrkamp-Verlags. Der „Zeitgeist“ wehte damals nun mal links, und Unseld wusste sich anzuschmiegen. Konnte bei Bedarf auch Lenin zitieren. War aber doch ratlos, als Max Frisch in New York Mai 1971 plötzlich aufstand und den gemeinsamen Lunch verlies. Freundschaft, so notierte Unseld, zwischen Autor und Verleger, ist vielleicht gar nicht möglich. Ihm wurde schlecht vor Enttäuschung, von der „Kleinlichkeit“ des Autors. 35 Reiseberichte von insgesamt über 1.500 hat der Verlag vorgelegt.

Dabei sind Reisetagebücher meist von „heiterer Stimmung“, wie schon Max Brod zu den Notizen Franz Kafkas bemerkt, im Vergleich zu den düsteren, klagenden eigentlichen Tagebüchern. Das Parfum des Reisens, die ständige Bewegung und die Ferne von den Alltagssorgen scheint die Menschen in gehobene Stimmung zu versetzen, selbst wenn es sich um Dienstreisen handelt. Wobei das handgeschriebene (Reise-) Tagebuch, anders als der Brief, möglicherweise auch in Zukunft im Nachlass der Autoren zu finden sein wird.

Einsteins gesamte Briefe tauchten erst in den Achtzigern auf und fanden natürlich schnell Verleger. Auch Bosheit, zumal von Genies, verkauft sich eben großartig: „Sobald ich befehle, den Raum zu verlassen … hast Du dies sofort zu befolgen“, so Einstein 1914 an dieselbe Adressatin. Es erstaunt vielleicht mehr, als jeder Roman es vermöchte.

W.H.