Von Ulrich Schäfer-Newiger
Die Märzsonne war ein schneidendes Kristall. Unter ihm standen sie am Rande des Buchenwaldes, an der dritten Buche von vorne mit dem Loch davor. Schweigende Skulptur. Er hatte das einfach entschieden, ohne jemanden zu fragen. Oder welcher Hilfsgeist hatte ihm zu Lebzeiten diese Stelle eingeflüstert – Cuniculus? Übernächster Nachbarort, Friedenswald, pflegefreies Erdgrab. Von links oben schien die Sonne. Was wollte das Gestirn?
Alle standen und warteten. Alle wussten, was kommt. Totenhemd war das filigrane Netz der Schatten blätterloser Bäume. Aus einem mitgebrachten Digitallautsprecher erklang sein Lieblingslied. Es erzählte Theodora, die Priesterin, von seinem Leben. Sehr professionell. Sie hatte ihn nie kennengelernt, den ganz und gar Ungläubigen. Aber zweitausend Jahre Christentum ließen sich nicht einfach verdrängen. Jetzt war er tot. Nur noch Asche in einem Topf, leicht genug, seines Lebens in ihren Köpfen zu gedenken. Es eignete sich gut dafür, Stichworte in ganze Sätze zu verwandeln. Stichworte von ihm, dem alten Sohn, aufgeschrieben ohne Bedauern, in Unkenntnis seiner Vergnügungen. Gerade mal eine halbe Seite per E-Mail, Ergebnis trockener Erinnerungssuche. Unfertig, unwillig. Aber von der Priesterin gekonnt umgemünzt in eine Lebensgeschichte, die er nicht kannte.
Die Sonne schien noch, als alles in der Erde versenkt war. Wurzeldurchzogen unter den Füßen der Waldboden, Unterwelts Dach. Es stand sich schlecht auf ihm, es ging sich noch schlechter darüber. Manche stolperten, drohten hinzustürzen beim Weggehen. Sie fingen sich aber. Händedrücken, Gemurmel.
Und kein Tier, nirgends –