[LiSe 10/18] Dichter-Denkmäler in München (Folge 11)

Vor Schiller den Hut ziehen

Das Schiller-Denkmal am Maximiliansplatz

Von Christine Erfurth

Friedrich von Schiller (1759–1805) hat Bayern weder bereist, noch persönlich am geistigen Leben in München teilgenommen. Eine tiefe kulturelle Kluft trennte den katholischen Süden vom protestantischen Norden. Die großen Dichterfürsten, Schiller und Goethe, verspotteten in ihren „Xenien“ (1797) das Kurfürstentum als Land der irdischen Freuden, das keinen Sinn für das geistig Schöne habe: „Donau in B[ayern]. Bacchus, der lustige, führt mich und Komus, der fette, durch reiche Triften, aber verschämt bleibt die Charis zurück.“ Das Interesse der Bayern und insbesondere ihrer Könige Ludwig I. und Ludwig II. an Schiller hingegen war groß. (mehr …)

[LiSe 10/18] Buchtipps aus erster Hand

Die Buchhandlung Literabella in der Isabellastraße empfiehlt diese beiden Neuerscheinungen.

Olivier Guez: Das Verschwinden des Josef Mengele
Aufbau

Olivier Guez beschreibt die Fluchtetappen des berüchtigten Lagerarztes von Auschwitz. Ab 1949 in Argentinien gibt er sich herrisch und optimistisch und wird von einem Nazi-Netzwerk unterstützt und hofiert. Die 60er und 70er-Jahre in Paraguay und Brasilien sind zunehmend von Verbitterung, Verfolgungswahn, Einsamkeit und Krankheit geprägt. Bis zu seinem Unfalltod 1979 bleibt er ohne Reue, seine Verbrechen ungesühnt. Statt einer Biografie wählt Guez bewusst die Romanform, weil damit eine größere Breitenwirkung und so Aufklärung und Mahnung möglich sind. (mehr …)

[LiSe 09/18] Ausstellung: Lesen in Kochel

Noch bis zum 23. September zeigt das Franz-Marc-Museum in Kochel die Ausstellung „Lektüre – Bilder vom Lesen – Vom Lesen der Bilder“. Zu sehen sind unter anderem Exponate von Pablo Picasso, Paul Klee, Cy Twombly und Jean Dubuffet. Die Geschichte des Lesens ist so alt wie die Geschichte der Schrift, und so reichen auch die Darstellungen von Lesenden in der bildenden Kunst bis in die Antike. In der europäischen Malerei, Buchmalerei und Skulptur ist die Lektüre zunächst im biblischen Kontext verankert und auf religiöse Texte gerichtet. In den Niederlanden, die seit ihrem Aufstieg zur maritimen Handelsmacht zunehmend von bürgerlichen Werten geprägt wurden, entstanden im Laufe des 17. Jahrhunderts die ersten Bilder „privaten” Lesens. Diese, sich durch die Lektüre konstituierende Privatheit und Intimität bestimmt die Atmosphäre der Bilder von Lesenden, die seit dem 18.Jahrhundert in der europäischen Malerei zum wichtigen Motiv werden. Schwerpunkt der Ausstellung sind allerdings Werke aus dem 20. Jahrhundert.    red

Die Öffnungszeiten: 10 bis 18 Uhr info@franz-marc-museum.de, www.franz-marc-museum.de).

[LiSe 09/18] Dichter-Denkmäler in München (Folge 10)

Ein Gruß aus New York
Das Kunstmal für Oskar-Maria Graf von Jenny Holzer

Von Ina Kuegler

Der Earl Grey dampft in der Tasse, der Tee rinnt die Kehle hinunter, der Blick fällt auf die Untertasse. „Mehr Sexualität, die Herrschaften“ steht dort. Es ist nur einer von vielen Sprüchen in der Brasserie des Literaturhauses. Da heißt es etwa auf dem Papier-Set unter dem Suppenteller: „Ich habe wirklich eine große Angst vor der Zukunft, dass ich der ‚Berühmtheit‘ entgegenstrebe.“ Und an der Rückenlehne der Sitzbank steht eingraviert ins braune Leder: „Die aufgestapelte Erinnerung an Gehörtes, Gelesenes, Selbsterlebtes.“ Es sind Zitate von Oskar Maria Graf (1894 bis 1967), dem die New Yorker Künstlerin Jenny Holzer 1997 im und vor dem Literaturhaus ein Denkmal gesetzt hat. (mehr …)

[LiSe 09/18] Buchtipps auf erster Hand von der Buchhandlung Pfeiffer

Die Schwabinger Buchhandlung Pfeiffer empfiehlt diese beiden Neuerscheinungen.

Elisa Shua Dusapin:  Ein Winter in Sokcho
Blumenbar

Ein eiskalter Ort an der Grenze zu Nordkorea: Ein französischer Künstler und die junge Angestellte der schäbigen Pension erkunden auf langen Spaziergängen die Umgebung und kommen sich dabei näher. Beide suchen nach einem Neuanfang. Sie will dem tristen Leben entfliehen, er sucht in der Abgeschiedenheit Inspiration. Mehr nicht und doch so viel: Die große Kunst von Elisa Shua Dupasin besteht darin, kleine alltägliche Begebenheiten sehr klug zu beobachten und dafür den aktuellen weltpolitische Bezug mitschwingen zu lassen und eine Sprache zu finden, die knapp und nüchtern beschreibt und dennoch wie zwischen den Buchseiten schwebt.

Mark Thompson:  El Greco und ich
mare

J.J. und sein bester Freund El Greco, zwei 10jährige in New Jersey, Sopmmer 1968, hin- und hergerissen zwischen ihren Träumen, der Sehnsucht nach Unbeschwertheit und den Mysterien des Erwachsenwerdens. Auf einem road trip durch den ländlichen Süden verlieren sie ihre kindliche Unschuld und werden sich der Grenzen ihrer Welt bewusst. Doch die Begegnung mit Krankheit und Tod verpasst J.J.s Lebenshunger einen ersten tiefen Riss. Hinreißend, wie Mark Thompson diese bittersüße Geschichte durch den Mutterwitz und die Originalität seines Erzählers in der Balance hält.

Buchhandlung Pfeiffer, Hohenzollernstr. 19, 80801 München

[LiSe 07/18] Dichter-Denkmäler in München (Folge 9)

Ein Mineraloge auf Abwegen
Franz von Kobell und seine bayerische Heimat

Von Michael Berwanger 

Wer den Biergarten des ehemaligen Hofbräukellers in Haidhausen auf der Rückseite durch den kleinen Durchlass verlässt, kommt in den Maximiliansanlagen zu einer Anhöhe, die die Münchner die „Kobell-Wiese“ nennen. Auf der Kuppe, direkt vor der früheren Villa des Malers Eduard Grützner, steht ein Denkmal, das an den Mineralogen, Schriftsteller, Konservator und Musiker Franz von Kobell erinnert. Es ist eines jener Denkmäler, die durch Prunk und Größe auf eine Zeit verweisen, als Bayern noch an den ewigen Fortbestand der Wittelsbacher Monarchie glaubte – ein Gründerzeitdenkmal. Auf einem klassizistischen Natursteinpostament, flankiert von stilisierten Pinienzapfen, thront die von Ferdinand von Miller gegossene Bronzebüste des Volksdichters, entworfen vom damals äußerst umtriebigen Künstler Benedikt König, der sich gern Professor von König nennen ließ, und errichtet im Auftrag des Prinzregenten im Jahr 1896. (mehr …)