by LiSe | 29. Jan. 2025 | Blog, Rezension
Die Mitarbeiter*innen der Münchner Stadtbibliotheken empfehlen für den Monat Februar diese Neuerscheinungen:
Rabea Edel: Portrait meiner Mutter mit Geistern
H. Beck
Raisa lebt allein mit ihrer Mutter Martha und das schon immer. An ihren Vater hat sie keine Erinnerung. Ihr Name ist das Einzige, was sie von ihm bekommen hat – besser so, sagt Martha. Doch Raisa beginnt, Fragen zu stellen. Als der Nachbarsjunge Mat verschwindet, beginnt Martha zu erzählen. Von Lügen, die schützen, und Lügen, die in Gefahr bringen. Von der Liebe ihres Lebens und ihrem größten Verlust. Rabea Edel zeichnet die bewegende Lebensgeschichte ihrer Mutter und das Portrait einer Nachkriegsgeneration, die im Schatten der Gewalt und des Schweigens aufgewachsen ist. Ein Buch wie ein Kaleidoskop, das vor allem die Frauen in den Blick nimmt.
Matthias Lohre: Teufels Bruder
Piper
Der Roman über die rätselhafte Zeit, als aus dem Schulversager der Autor der weltberühmten „Buddenbrooks“ wurde: jene eineinhalb Jahre, die Thomas Mann mit seinem Bruder Heinrich in Italien verlebte. Dabei, so gestand er kurz vor seinem Tod, begegnete er im Sommer 1897 dem Teufel. Was also widerfuhr dem 22-jährigen Thomas Mann, das den Menschen und Künstler für immer veränderte? „Teufels Bruder“ erzählt von der Sehnsucht nach Liebe und dem schmerzhaften Versuch herauszufinden, wer man wirklich ist. Historisch genau, profund recherchiert und zugleich spekulativ. Eine eigenständige Geschichte mit zahlreichen Werkbe-zügen.
Münchner Stadtbibliothek
Stadtbibliothek im HP8, Hans-Preißinger-Straße 8, Sendling
Stadtbibliothek im Motorama, Rosenheimer Straße 30-32
www.muenchner-stadtbibliothek.de
Alle vorgestellten Bücher sind in der Münchner Stadtbibliothek an einen Standort der eigenen Wahl bestellbar (Voraussetzung ist ein Kund*innenausweis).
by LiSe | 29. Jan. 2025 | Blog, Rezension
Der neue Band von Birk Meinhardt fordert seine Leser*innen
Von Michael Berwanger
Es gibt Bücher, die uns nicht zur Ruhe kommen lassen, weil sie Gedanken freisetzen, die uns zurückschrecken lassen, aus Angst, Argumente der falschen Seite anzunehmen. Der langjährige SZ-Redakteur Birk Meinhardt konfrontiert seine Leser*innen in seinem neuesten Buch „Abkehr“ – es trägt keine Genre-Bezeichnung – mit derartigen Gedankengängen.
Worum geht es? Meinhardts Alter Ego Erik Wirchow – wie der Autor geboren in der ehemaligen DDR – findet sich plötzlich inhaftiert, obwohl er denkt, dass er nichts verbrochen habe. Was ihm genau zur Last gelegt wird, wird erst am Ende des Buches erzählt. In der Haft beginnt der Protagonist sich schreibend über seinen Weg in die Justizvollzugsanstalt klar zu werden. Dabei wechseln seine Gedanken bzw. Notate zwischen Hafterlebnissen, Rückblenden in die DDR- und in die Nachwendezeit und allgemeinen gesellschaftlichen Betrachtungen.
Meinhardt, der mit seinem Roman „Brüder und Schwestern“ 2013 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, beschreibt minutiös die Gewalt im Gefängnis, aber auch die Gewalt der Polizei bei Inhaftierung und die Willkür der Justizvollzugsbeamten bei der Bewilligung von Hafterleichterungen. Er beschreibt den Werdegang seines Protagonisten nach der Wende, der sich von der Verlogenheit einer diktatorischen Gesellschaft in die Verlogenheit eines Pharmakonzerns rettet. Er beschreibt, wie die „Kinder der DDR“ sich freiwillig ihren Heimatwortschatz abtrainierten, um von den „Wessis“ nicht als Verlierer abgestempelt zu werden. Er wettert gegen selbstgefällige Redaktionen und Radiosendungen, die sich dann couragiert geben, wenn es für sie nichts zu befürchten gibt; gegen Verlage, die Literatur nicht mehr nachdrucken wollen, aus Angst, von der falschen Seite Beifall zu bekommen. Er schimpft auf Konzerne, die aus Geldgier Schönrednerei betreiben. Und er schreibt gegen die Machenschaften von Pharmakonzernen, die neue Krankheiten für ihre neuen Medikamente erfinden. All dies ist weder abwegig, noch herbeifantasiert, auch wenn die beschriebenen Firmen und Orte nicht existieren. Solche und so ähnliche Vorgänge gab und gibt es in der Realität zuhauf.
Birk Meinhardt, dessen preisgekrönter Roman „Brüder und Schwestern“ bei Hanser erschienen war und sein Band „Wie ich meine Zeitung verlor“ – eine kritische Auseinandersetzung mit der journalistischen Ausrichtung der SZ – bei Das neue Berlin, hat für sein „Abkehr – Ein Hafttagebuch“ keinen Verlag gefunden. Zu gefährlich schienen den Verlagen seine Kritik an den bestehenden Zuständen. Da das Bücherverlegen immer ein Vabanque-Spiel sei, so Meinhardt, habe er seinen Eigenverlag Vabanque genannt.
Die Vorstellung, dass in unserer heutigen Zeit kritische Stimmen keinen Verlag mehr finden, der sich traut, auch Bücher außerhalb des Mainstreams zu veröffentlichen, sollte einen stutzig machen. Denn in diesem Fall liegt es nicht an der Qualität des geschriebenen Wortes oder an der Klarheit der ausformulierten Gedanken, die eine Ablehnung hätten rechtfertigen können. Ein wichtiges Buch in Zeiten euphemistischer Schönfärberei.
Birk Meinhardt:
Abkehr – Ein Hafttagebuch
284 Seiten, Paperback
Vabanque Verlag
Berlin 2024
22 Euro
by LiSe | 2. Jan. 2025 | Blog, Rezension
Die Mitarbeiter*innen der Münchner Stadtbibliotheken empfehlen für den Monat Januar diese Neuerscheinungen:
Horst Evers: Zu faul zum Nichtstun
Rowohlt
Wie kann es sein, dass wir in jeder kurzen Pause, die uns der Tag bietet, sofort auf unser Handy schauen und uns ablenken? Sind wir vielleicht einfach zu faul zum Nichtstun geworden? Horst Evers geht dieser Frage nach – in kurzen, sehr lustigen Geschichten aus dem Hier und Jetzt. Dort begegnet er Katzen, die seine Pakete entgegennehmen, und Toastern, die unsere Zukunft planen, sowie Nonnen, die ihm die Künstliche Intelligenz erklären. Mit viel Witz, überraschenden Wendungen, Wärme und tatsächlich begründeter Zuversicht nimmt Horst Evers uns mit auf eine Reise durch unsere seltsame Gegenwart. (mehr …)
by LiSe | 2. Jan. 2025 | Blog, Rezension
Ein verwegener „Pseudo-Thriller“ aus München
Von Michael Berwanger
Es macht Spaß, zwischen all den Selbstbefindlichkeiten und Nabelschauen der deutschen Gegenwartsliteratur einmal einen versponnenen Roman zu lesen, der mit Realitätssinn wenig zu tun hat. Schon die Genre-Bezeichnung „Pseudo-Thriller“ kann einen neugierig machen. Der Roman „Umlaufaufzug“ von Reiner Jansen ist Krimi, Fantasy, Weltbetrachtung und Gesellschaftskritik zugleich. (mehr …)
by LiSe | 30. Nov. 2024 | Blog, Rezension
Wie immer zur Weihnachtszeit empfehlen Redaktionsmitglieder der LiteraturSeiten München eines ihrer Lieblingsbücher des Jahres.
Nachdenkliches
Von Michael Berwanger
Viel ist schon geschrieben worden über den Umgang mit dement werdenden Familienmitgliedern, sei es Vater, Mutter oder Lebenspartner*in. Wie aber soll man sich verhalten, wenn bei einem engen Vertrauten oder bei der besten Freundin die geistige Kraft nachlässt? Stellt das die Freundschaft infrage, und kann man sich dann noch auf Augenhöhe begegnen? Der Sozialpädagoge Peter Wißmann hat sich in seinem Erzählband „Überschattet“ diesem Problem gewidmet. Er schildert den Freundschaftsverlauf zu einem engen Bekannten namens Christian, der versucht, offen mit seiner Krankheit umzugehen, was nur selten bei Alzheimer-Patienten vorkommt. Die Geschichten dieser Freundschaft sind oft rührend, aber auch lustig und nicht selten erstaunlich. Wißmann zeigt, dass eine Freundschaft zu einem*r Demenz-erkrankten nicht zwangsläufig in die Leere führen muss. Obwohl die geistige Kraft langsam verloren gehe, seien die Betroffenen oft besser fähig, auf kleine Details zu achten und die Dinge des Alltags wertzuschätzen. Ein nachdenkliches Buch für die Tage zwischen den Jahren. (mehr …)
by LiSe | 4. Nov. 2024 | Blog, Rezension
Die Mitarbeiter*innen der Münchner Stadtbibliotheken empfehlen für November diese Neuerscheinungen:
Celine Fremlin:
Der lange Schatten, DuMont
Die Wiederentdeckung eines englischen Krimiklassikers: Vom schrillen Klingeln des Telefons aus dem Schlaf gerissen stolpert Imogen durch das dunkle, leere Haus, um den Anruf entgegenzunehmen. Der Mann am anderen Ende der Leitung will sie ernsthaft beschuldigen, ihren Ehemann Ivor getötet zu haben, der vor knapp zwei Monaten bei einem Autounfall ums Leben kam! Imogen möchte doch nichts anderes als in Ruhe über ihren Schmerz hinwegkommen. Kurz vor Weihnachten reisen Imogens erwachsener Stiefsohn samt Freundin, die Stieftochter mit Ehemann und zwei Kindern sowie Ivors Exfrau an. Und bald darauf geschehen merkwürdige Dinge. (mehr …)