[LiSe 05/24] Kurzgeschichte: Unser staubiger Japaner

Von Petra Ina Lang

Einmal pro Woche gehen wir in den Südpark. Wir parken in einer der Seitenstraßen, in der Wohnwagen hinter Wohnwagen stehen und verrotten. Große Wohnwagen, kleine Wohnwagen. Auf allen hat sich eine staubige Schicht abgesetzt mit Blättern, die vermodern. Nie sieht man Menschen in die Wohnwagen einsteigen. Nie sieht man Menschen aus ihnen herauskommen. (mehr …)

[LiSe 04/24] Kurzgeschichte: Notlösung

Von Hartwig Nissen

Ich kann nicht behaupten, dass ich stolz darauf bin. Ich hatte gelogen, als Britta mich nach meiner Arbeit fragte. Ich sagte, ich hab frei, wegen Schlechtwetter, weil unser Team beim Brainstorming nicht komplett war. Und die Ausrede passte gut, es regnete gerade in Strömen. Sie sagte nichts. (mehr …)

[LiSe 01/24] Kurzgeschichte: Der Goldbarren

Von Ruth Neureiter

Ich erinnere mich an einen kleinen Goldbarren in meiner Handtasche. Er muss dort schlummern seit dem Schreibseminar in Lindau, unter vielen anderen Dingen, die ich mit mir herumtrage: Geldbörse, Notizbuch, diverse Stifte, Kinokarte, Parkschein, Papiertaschentücher, Kontoauszüge, Visitenkarten und Reisepass, Autoschlüssel, Einkaufszettel. (mehr …)

[LiSe 12/23] Kurzgeschichte Khushbu

Von Krisha Kops

Entschuldigen Sie bitte, dass ich gerade so abwesend war. Wissen Sie, jedes Mal, wenn es Frühling wird, manchmal auch nur, wenn ich einen Blumenstrauß sehe, muss ich an Khushbu aus unserem Dorf denken. Bereits als Neugeborenes, so sagte man ihr nach, ging von ihr ein Duft aus, der das ganze Krankenhaus benebelte, eine Mischung aus Jasmin, Mango- und Ashokablumen, weißem und blauem Lotus, wie die Pfeile aus dem Köcher des Liebesgottes. Kranke vergaßen ihre Schmerzen, Sterbende den Tod und Ärzte wie Krankenpfleger die Behandlungen. Durch Khushbus Adern floss öliges Parfüm, jeder ihrer Herzschläge ein Destillieren der Düfte, ihr Atem Gott Gan.eśas liebster Hibiskus, ihr Schweiß aus Sandelholz, und wenn sie schlief, ummantelte sie der Geruch von Nachtjasmin. (mehr …)

[LiSe 10/23] Kurzgeschichte: Mauseleben

Von Wolfram Hirche

Schon zum dritten Mal heute, diese Falle. Gebratener Schinken, etwas Käse, achtsam auf den kleinen Spieß gesteckt, der von oben in die Falle hineinragt. Dann konzentriert den Metallbügel nach hinten über den Draht-Käfig gespannt und mit einem weiteren Bügel arretiert. So arretiert, dass die Klappe zur Käfig-Falle weit offensteht. Damit diese Klappe sich blitzschnell schließt, sobald das Tier am Schinkenkäse zupft, weil dann der Bügel sich löst und nach vorne schnappt. Es sei denn, die Maus würde von außen schnuppernd an die Gitterstäbe stoßen, dann käme es zu einer Fehlschließung. (mehr …)