Von Stefanie Bürgers

Paula, Jahrgang 1915, betet den Rosenkranz jeden Tag mehrmals. Sie trägt ihn bei sich in der rechten Tasche der Kittelschürze. Die Perlen laufen durch ihre Finger. Der Erste Weltkrieg hat ihr den Bruder genommen, der Zweite den Bräutigam. Am Ende des Krieges hat sie ein behindertes Kind, das gleich gestorben ist. Dann noch ein Mädchen. Von einem Mann, der Vater und Großvater hätte sein können. Das Schweigen von Paula ist der Bann, der bis heute nicht gebrochen ist. Tochter und Enkelin dieses Mannes tragen seine dunklen Züge, die aus dem Rahmen des Dorfes im katholischen Oberschwaben fallen. Geheimnisse trennen, blockieren. Sandra Hoffmann, Enkelin von Paula, imaginiert an Hand alter Fotos das Leben der Großmutter, will ihr das Leben schenken, das diese nicht erzählen konnte. In einer drängenden Sprache voller Metaphern reiht sie Sätze, Assoziationen, die vor dem Vergessen bewahren. Die Autorin erkennt, dass die Großmutter mit ihrem Schweigen nicht „Schutzmantelmadonna“ sondern Quell Sandras eignen Unwohlseins ist.

Sandra Hoffmann
Paula
Roman, 160 Seiten
Hanser Verlag Berlin, 2017
18 Euro