Auf der Bühne wird gesprochen, darüber schwebt Text
Von Katrin Diehl
Übertiteln“! Wie schön einem dieses Wort gegen den Strich geht. Wie einfach es sich zusammensetzt, ganz entlang einer Tätigkeit, die wenig Aufhebens von sich macht. Yvonne Griesel ist professionelle Übertitlerin, übertitelt schon eine ganze Weile, ohne dass ihr dabei die Faszination für das, was da eigentlich zwischen Sender und Empfänger mit Sprache so geschieht, abhanden gekommen wäre. Yvonne Griesel und ihr Team sorgen in diversen Theatern für „Übertitel“, die eingeblendeten etwa drei Sekunden sichtbaren Kurzübersetzungen dessen, was ein paar Meter tiefer auf den Bühnen gesprochen wird. Eine Herausforderung und nicht nur eine sprachliche. Außerdem ist Yvonne Griesel auch noch Übersetzerin, Dolmetscherin, Ausbilderin, Wissenschaftlerin … 2005 hat sie die Firma „Sprach>Spiel“ mit Sitz in Berlin gegründet, an die man sich auf der Suche nach Übertitler*innen wenden kann. Anna Galt und Kate McNaughton stehen ihr dort als versierte Mitarbeiterinnen zur Seite, dazu kommt dann noch ein Netzwerk an Übersetzer*innen, die – je nach Bedarf – in die unterschiedlichsten Sprachen übertragen. Yvonne Griesel selbst ist fürs Russische und Französische zuständig, „macht“ aber auch „die Gesamtorganisation …“ und hat ihre Kontakte nach München. Zum Beispiel zu den Kammerspielen, die ihre Stücke ja oft mit Übertiteln versehen. Yvonne Griesel mag es sehr, dort beschäftigt zu sein, auch weil es da einen engen „Draht“ zu den Videotechnikern gibt. „Wir probieren zusammen verschiedene Dinge aus und das ist spannend“, erklärt sie.
Das letzte, was sie an den Kammerspielen gemacht hat, war – Ende/Mitte dieses Märzes – eine deutsch-französische Koproduktion mit Togo und dem Titel „Eine Erwiderung“ (zum – oh, weh! – F.J. Strauß Zitat nämlich, das der bei einem Staatsbesuch im westafrikanischen Land von sich gegeben hat, und das so geht: „Wir Schwarzen müssen zusammenhalten“).
Seit wann sich die Theater der Welt um den Service einer begleitenden Übersetzung fürs internationale Publikum bemüht haben, lässt sich nicht so einfach sagen. „Die mehrsprachigen Länder haben sich da sicher früher professionalisiert“, meint Yvonne Griesel, aber im Grunde habe sich ja auch schon das Alte Rom um einen „Sprachtransfer“ bemüht, „weil die haben auch schon vielsprachig gespielt“. Und später Brecht … „Auch der hat sich damit beschäftigt. Die haben mit so einem Diaprojektor übertitelt.“ Die Historie der „Übertitelung“ sei auch deshalb schlecht dokumentiert, weil „traditionell übers Übersetzen schon immer wenig gesprochen wurde“. Wer übersetzt, agiert eben im Hintergrund. Das ist nicht sehr gerecht und doch lässt sich da eine Verbindung herstellen zur Rezeption von Übertiteln, bzw. zur Frage, wann diese als gelungen gilt. „Ein gutes Zeichen ist, wenn den Leute gar nicht bewusst ist, wie wir ihnen zum Verständnis helfen“, sagt Yvonne Griesel.
Den „normalen“ Ablauf, wenn’s ans Übertiteln geht, beschreibt sie so: „Den Text sollten wir so drei Monate vor der Premiere auf dem Tisch haben. Ich verschaffe mir einen Überblick. Richtig arbeiten lässt sich aber erst, wenn ich Aufzeichnungen von Proben habe. Alles muss ja zu dem passen, was da auf der Bühne passiert. Dann wird der deutsche Text eingekürzt. So auf etwa 30 bis 50 Prozent. Dann übersetzt. Am Ende komm ich dann zu den Generalproben und alles wird angepasst.“ Jede Vorstellung mit Übertitel muss von jemandem in dieser Hinsicht Fachkundigem begleitet werden, denn vielleicht ist es ja nötig auf Improvisationen, verändertes Tempo oder Unregelmäßigkeiten zu reagieren. Unwägbarkeiten blieben ohnehin bis zum Schluss, sagt Yvonne Griesel, „zumal heute viele Regisseur*innen mit Text sehr flexibel umgehen, oft noch am letzten Probentag große Umstellungen vornehmen …“. Eine Herausforderung für manche doch eher introvertiert arbeitende Übersetzer*in. Damit gehe jede anders um, sagt Yvonne Griesler, bringe einen eigenen Stil mit, auch was die Sprache anbelange.
„Ich bin da zum Beispiel eher Minimalistin. Verzichte auf dies und das. Das Bühnengeschehen muss im Vordergrund bleiben und jeder Blick nach oben ist ein Blick weg von der Bühne.“