Hell und heiter – Literatur Moths – die Lieblingsbuchhandlung von Thomas Jonigk und Christof Loy
Hell, loftig, großzügig – so präsentiert sich Literatur Moths. Hohe Räume mit Industrie-Charakter laden zur Schatzsuche ein. Während andere Münchner Buchhandlungen mit ihren bis zu Decke reichenden Regalen und eng aneinandergepressten Büchern eher Papier-Höhlen ähneln, gibt Moths den Blick frei: auf bibliophile Bücher und ausgewählte Geschenke in luftigen Regalen aus Schalholz, auf Exponate aktueller Ausstellungen an den Wänden, auf Genuss-Bildbände im Kochbuch-Kabinett oder auf den großen Tisch gleich im Eingangsbereich. Wer es auf diese Plattform geschafft hat, darf sich als Autor oder Verlag glücklich schätzen: Hier präsentiert sich nur er-lesene Literatur. „Was dort ausliegt, ist extrem in-spirierend – eine Oase der Literatur und der Individualität“, schwärmen zwei Stammkunden von Moths, der Schriftsteller Thomas Jonigk und der Opernregisseur Christof Loy. Seit sie 2013 als „verhasste Deutsche“ von Zürich ins Münchner Lehel gezogen sind, schätzen sie die Buchhandlung in der Rumfordstraße 48.
Literatur Moths gibt es schon sehr viel länger: 1994 eröffnete Regina Moths diesen Buchladen – den wohl schönsten in München, der 2009 auf der Frankfurter Buchmesse zur „Buchhandlung des Jahres“ gekürt wurde. Moths, die nach ihrer Lehre in Frankfurt Theater, Film- und Fernsehwissenschaften studiert hat, ist Buchhändlerin und Galeristin zugleich – davon zeugen die Lesungen, zu denen Regina Moths im Schnitt jeden Monat lädt und die Kunstausstellungen, die rund sechs Mal im Jahr stattfinden. Kunst gibt es bei Moths freilich das ganze Jahr über in den beiden Schaufenstern: Die von Regina Moths gestaltete Ladenfront ist immer einen Ausflug in die Rumfordstraße beim Isartorplatz wert. Während andere Läden beim Oktoberfest weißblaue Fähnchen aushängen, gab es beispielsweise bei Moths ein Wurstfenster – zwei Berliner Schneiderinnen präsentierten ihre Stoffwurstwaren.
„Moths ist tatsächlich eine der schönsten, niveauvollsten und im besten Sinne subjektivsten Buchhandlungen, die wir kennen“, sagen Jonigk und Loy. Und die sollten es eigentlich wissen – schließlich kommen sie beruflich in ganz Europa herum: Christof Loy hat gerade zwei Opern in Basel und Genf inszeniert, demnächst stehen unter anderem Regie-Arbeiten in Stockholm („Der Rosenkavalier“) und Wien („Peter Grimes“) an. Besucher der Münchner Staatsoper, an der derzeit Loys Inszenierung der Donizetti-Oper „Roberto Devereux“ mit Edita Gruberova zu sehen ist, dürfen auf eine neue Regie-Arbeit des Regisseurs hoffen: „Sobald Intendant Nikolaus Bachler und ich uns auf ein Stück und einen Termin einigen können“, verrät der 52-jährige. Thomas Jonigk, 1995 von „Theater heute“ zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gekürt, ist Allrounder: Der 49-jährige reüssiert als Schriftsteller, Regisseur, Theaterautor und Librettist. In der kommenden Spielzeit hat er unter anderem Auftragswerke an der Deutschen Oper Berlin und dem Theater an der Wien. „Anfänglich war ich reiner Theaterautor, aber mein Interesse geht mittlerweile viel mehr in Richtung Prosa, weil ich da viel autonomer bin.“ Seinen nächsten Roman wird Jonigk natürlich auch bei einer Lesung in der Buchhandlung Moths vorstellen.
Lesungen bei Moths ziehen seit Jahren SchriftstellerInnen, PublizistInnen und LeserInnen an. Zu Gast in der Rumfordstraße waren in jüngster Zeit unter anderem Sibylle Berg, Sibylle Lewitscharoff, Georg Klein, Stevan Paul, Heinrich Steinfest, Hans Pleschinski (er ist bei Moths Stammkunde), Feridun Zaimoglu oder die Balzac-Übersetzerin Melanie Waltz.
Regelmäßiger Gast bei Moths ist der von der ARD-Sendung „Druckfrisch“ bekannte Publizist Denis Scheck, der die Vorzüge unabhängiger Buchhandlungen wie Moths für ein Stadtviertel so preist: „Die Gegend, in der man lebt, verblödet dann weniger“. Regina Moths reagiert – auf Amazon angesprochen – gelassen: „Wir sind auch eine Internetbuchhandlung und waren es schon zehn Jahre vor Amazon.“ Wer die Homepage von Moths einmal angeklickt hat, weiß, dass er nicht nur Bücher innerhalb 24 Stunden bestellen kann, sondern fühlt sich auch gut beraten, optisch umschmeichelt und gut unterhalten. „Diese Heiterkeit ist uns wichtig“, ergänzt Regina Moths.
Heiter und unaufgeregt erzählt sie auch, wie sie ihren Stammkunden Christof Loy erstmals in ihren Räumen kennenlernte. So habe sie Thomas Jonigk, den sie vom Studium in Frankfurt kannte, von ihren diversen Reisen zu europäischen Opernhäusern erzählt, um Inszenierungen von Loy hautnah miterleben zu können. Daraufhin habe Jonigk den Laden verlassen und sei nach fünf Minuten mit Christof Loy wiedergekommen. „Hier ist der Regisseur“, erklärte Jonigk. Die beiden Künstler sind seit 2008 ein Paar. „Eine Heirat zwischen Männern ist noch immer ein politisches beziehungsweise gesellschaftliches Statement“, sagt der Autor. Angesichts der Proteste in Frankreich oder der Rolle von Homosexuellen in Osteuropa offenbart sich laut Jonigk, dass die Gesellschaft in puncto Minderheitenschutz oder individueller Freiheit eher rückschrittlich sei. Der internationale Opernbetrieb setze ganz andere Akzente, meint Loy. Erforderlich sei da die Fähigkeit, sich auf einen gemeinsamen Dialog und auf eine gemeinsame Arbeit einzulassen. „Das basiert auf extrem großem Vertrauen – und das ist vorbildlich in Bezug auf gerade stattfindende gesellschaftliche Prozesse und Veränderungen“.
Ina Kuegler