Wenn die Buchpreise verteilt sind, der Deutsche, der Georg-Büchner-, der Nobel-, der Alfred-Döblin-, der Wilhelm Raabe-, der Tukan-, der Bayerische, der Bremer, der Wasweißich-, ist für gute Befüllung unter dem Weihnachtsbaum gesorgt und Oma weiß, was sie ihren Töchtern, Enkeln oder dem Opa zum Christkind schenken soll, denn Weihnachten wird, das wissen wir seit Medias Markt-Werbung, unterm Baum entschieden.
Da das aber noch lange nicht genug ist (obwohl die „Die Fantastischen Vier“ in den 1990ern schon „Genug ist genug“ intonierten), haben wir gottlob auch noch vom Spiegel – also dem aus Hamburg, nicht dem an der Wand –, nach der Bestsellerliste, den ultimativen, durchgerankten und internationalisierten Buchpreis spendiert bekommen. Der hat uns nicht nur deutsche und auf Deutsch erschienene Bestseller beschert, sondern dazu ein vorweihnachtliches November-Türchen-Öffnen von Platz 20 (Jonas Lüscher) am 1.11. bis zum Sieger-Treppchen mit den Plätzen 1 bis 3 für Rachel Kushner, Szczepan Twardoch und Irene Solà am 20.11. (24.11. wäre stringenter gewesen).
Endlich wissen die Damen und Herren Schriftsteller*innen aller Länder (bzw. jener Länder, die ins Deutsche übersetzen), in welchen literarischen Höhen sie sich befinden.
Während beim International Booker Prize die Plätze 2 bis 15 ungesehen und undatiert unter „ferner liefen“ verhallen, weiß beim Spiegel (Sie wissen schon, der aus Hamburg, nicht der an der Wand) Pierre Jarawan, dass er Percival Everett hinter sich gelassen und Sebastian Haffner noch vor sich hat (nur so fürs nächste Mal – damit er sich ein bisschen mehr anstrengen kann).
Wir wollen doch mal sehen, ob im nächsten Jahr nicht noch ein paar mutigere Preise aufpoppen. Vorstellbar wäre der „ProSieben – Ich bin ein Literat, holt mir einen Preis“ (prämiert wird nach Schmuddelindex) oder der „Deutschland sucht den Schreiberstern – DSDSch“ (bester Platz für die knackigste Schreibhand). Außerdem könnten – neben den Teleprivaten und den Teleöffentlichen – auch alle Medienportale, Netzanbieter und Apphersteller einen Literaturpreis ausloben – etliche Gemeinden, Städte und Ministerpräsidenten tun es eh schon. Das einzige Problem besteht dann nur noch im Kipppunkt. Wenn weiterhin jedes Jahr die Zahl der Leser*innen (das Gendersternchen kann man sich hier eigentlich fast sparen) um 10 Prozent ab-, die Zahl der Preisträger*innen und -nominierten dafür um 10 Prozent zunimmt, könnte es irgendwann sein, dass auf jede*n Lesenden ein*e prämierte*r Autor*in trifft. Ich würde mich dann für Friedrich Ani als meinen personal writer entscheiden.
Michael Berwanger